# taz.de -- Bespitzelung mit Folgen: Verdeckte Aufklärer abgeschafft
       
       > Konsequenzen Enttarnung der verdeckten Ermittlerinnen „Iris Schneider“
       > und „Maria Block“ führen zu Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Hier hat die Spitzelkarriere von Maria B. begonnen: Volxküche in der Hafenstraße.
       
       HAMBURG taz | Der Staatsschutz der Polizei verzichtet künftig zur
       Lageerkundung in der linken Szene auf „verdeckte Aufklärer“. Das kündigte
       Innensenator Michael Neumann (SPD) im Innenausschuss der Bürgerschaft an.
       Zuvor hatte die Leiterin der Innenrevision der Innenbehörde, Gabriele
       Schiffer, einen 17-Punkte-Maßnahmenkatalog vorgelegt, um Pannen,
       Verfehlungen, Rechtsbrüche und Grundrechtseingriffe wie beim desaströsen
       Einsatz der Undercover-Polizistin Iris P. alias „Iris Schneider“ in den
       Jahren 2000 bis 2006 zu unterbinden. „Ich habe den Polizeipräsidenten
       angewiesen, alle 17 Punkte umgehend umzusetzen“, sagte Neumann.
       
       Zukünftig werde die Polizei nur noch „verdeckte Ermittler“ (VE) einsetzen,
       wofür sie zwar die Genehmigung der Staatsanwaltschaft benötige, die aber
       dann die Befugnis hätten, Privatwohnungen zu betreten und personenbezogen
       Daten zu erheben, wie es im Fall der Mittwoch enttarnten Staatsschützerin
       Maria B. mit dem Tarnnamen „Maria Block“ gewesen sei.
       
       Die heute 32-Jährige Maria B. sei vom Juli 2008 bis 2012 als verdeckte
       Ermittlerin (VE) „zur Abwehr schwerer Gefahren“ in der linken Szene
       eingesetzt gewesen, gab Polizeipräsident Ralf Meyer zu. „Alle Anordnungen
       der Staatsanwaltschaft liegen vor“, beteuerte Meyer. „Die rechtlichen
       Voraussetzungen haben vorgelegen, es waren Straftaten von erheblicher
       Bedeutung zu befürchten.“
       
       Auch die Auslandseinsätze bei No-Border-Camps oder dem Klima-Gipfel-Protest
       in Kopenhagen und Nato-Protesten in Frankreich seien rechtlich durch
       „bilaterale Vereinbarungen“ gedeckt gewesen, betonte Neumann. „Maria Block“
       sei manchmal sogar über das Bundeskriminalamt (BKA) aus dem Ausland zur
       Hilfe angefordert worden, damit sie die Hamburger Aktivisten begleite,
       sagte Neumann. Dort sei sie dann von einer heimischen Verbindungsperson
       „rechtlich begleitet“ worden.
       
       Zu dem Vorwurf des am Mittwoch veröffentlichten Dossiers, Maria B. sei auch
       eine sexuelle Beziehung in der Szene eingegangen, konnte Meyer aufgrund von
       zwei Tagen Zeit nichts sagen. „Das ist eine Behauptung, für uns gilt die
       Unschuldsvermutung“, sagte er. Die Veröffentlichung habe ihn nicht
       überrascht. Das Erschleichen von Vertrauen gehöre zum Repertoire einer
       verdeckten Ermittlerin, sagte Meyer. Sogenannte „Romeo-Einsätze“, um an
       Informationen zu kommen, würden aber nicht zugelassen und die Beamten
       sofort abgezogen, versicherte Meyer.
       
       Vorangegangen war die Veröffentlichung eines 39-seitigen Berichts der
       Innenrevision zur Affäre der Undercover-Polizistin „Iris Schneider“. Danach
       steht nun fest, dass das Engagement von Iris P. in der queerfeministischen
       Szene und in dem Radio „Freies Sender Kombinat“ (FSK) nie zu ihrem Auftrag
       als verdeckte Ermittlerin des BKA zwecks Strafverfolgung gehörte, sondern
       zu ihrer Parallelfunktion als Aufklärerin des Hamburger Staatsschutzes
       gehört haben muss.
       
       Dafür habe sie ihr vorheriges Privatleben nahezu aufgegeben und ihren
       Lebensmittelpunkt verlagert, was zu einer Verschmelzung mit der Szene
       geführt habe, sodass sie 353 Tage Überstunden anhäufte, sagte Revisorin
       Schiffer. Dabei habe Iris P. ihre Befugnisse überschritten. Ob es zu
       Liebesbeziehungen gekommen sei, könne derzeit nicht geklärt werden, da Iris
       P. dazu die Aussage verweigere.
       
       Diese gesamten Entwicklungen hätten die Führer der verdeckten Ermittlungen
       überhaupt nicht wahrgenommen. „Die VE-Führung war zu lasch, der Einsatz ist
       entglitten“, kritisierte Schiffer. Sie empfiehlt weitere
       disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen alle Beteiligten.
       
       30 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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