# taz.de -- Wahlen im Kongo: Chaos spaltet das Land
       
       > Ordentliche Neuwahlen 2016 werden immer unrealistischer. Deswegen will
       > die Opposition in Kinshasa wieder auf die Straße gehen.
       
 (IMG) Bild: Ein Anhänger Kabilas bei den Wahlen 2011.
       
       BERLIN taz | Der seit Monaten schwelende Streit über die korrekte
       Vorbereitung der für November 2016 angesetzten Präsidentschafts- und
       Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo wird wieder offen
       ausgetragen. Oppositionsparteien haben für Dienstag zu Großdemonstrationen
       in der Hauptstadt Kinshasa aufgerufen, um „Nein zur Wahlverschiebung“ zu
       sagen und „ein glaubwürdiges Wahlregister“ zu fordern.
       
       Im Januar hatten Pläne der Regierung von Präsident Joseph Kabila, eine
       Volkszählung abzuhalten und dann ein neues Wahlregister zu erstellen,
       Massenproteste hervorgerufen, deren Niederschlagung mehrere Dutzend Tote in
       Kinshasa und Goma forderte. Das Vorhaben hätte nämlich wegen des
       logistischen Aufwands eine Wahlverschiebung erzwungen.
       
       Jetzt wirft die Opposition umgekehrt der Regierung vor, am alten
       Wahlregister festzuhalten, das schon bei den letzten Wahlen 2011 als
       hoffnungslos veraltet und irregulär kritisiert worden war. Eine Korrektur
       des Wahlregisters vor dem nächsten Wahltermin 2016 war danach auf Druck der
       internationalen Gemeinschaft als Bedingung der Anerkennung von Kabilas
       zweifelhaftem Wahlsieg ausgemacht worden.
       
       Doch bis heute seien nicht einmal Todesfälle, Umzüge und neue Erstwähler
       berücksichtigt, kritisiert das Bündnis radikaler Oppositionsgruppen, das
       jetzt zu Protesten aufruft. Es zirkulierten außerdem mehrere Millionen
       gefälschter Wählerausweise. Andererseits lehnt die Opposition jede
       Verschiebung des Wahltermins 27. November 2016 ab und pocht auch darauf,
       dass Präsident Kabila dann nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten darf
       – lauter Dinge, über die niemand wirklich weiß, wie Kabila sie plant.
       
       ## Eine Provinzreform blockiert alle Wahlen
       
       Verschärft wird der Streit dadurch, dass der Regierung vor einem halben
       Jahr eingefallen ist, die seit zehn Jahren immer wieder verschobene
       Neuaufteilung der 11 Provinzen des Kongo in 26 Provinzen endlich zu
       vollziehen und das Chaos in der Wahlvorbereitung zu komplettieren. Der
       geltende Kalender der Wahlkommission vom Februar sieht in enger Abfolge
       Provinzwahlen, Kommunalwahlen auf mehreren Ebenen und schließlich
       Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor.
       
       Als Erstes werden am 25. Oktober Provinzparlamente und Gemeinderäte
       gewählt: Würde es sich einfach um die Neuwahl der 11 bisherigen
       Provinzparlamente handeln, wäre dies kein Problem; jetzt geht es aber um
       die Erstwahl der Parlamente vieler neuer kleinerer Provinzen.
       
       Diese gibt es bisher nur auf dem Papier, außer in der Hauptstadt Kinshasa
       sowie im Osten des Landes, wo die Kivu-Provinzen weiterbestehen werden.
       Manche neue Provinzen im Urwald haben überhaupt keine Regierungsgebäude
       oder auch nur Straßen, geschweige denn funktionierende Verwaltungen. Vor
       einigen Wochen stellte die Wahlkommission daher fest, sie sei nicht in der
       Lage, die Provinzwahlen abzuhalten, und zog vor das Verfassungsgericht.
       
       ## Die Opposition sagt einen Dialog ab
       
       Dieses ordnete am vergangenen Dienstag an, die Regierung müsse der
       Wahlkommission die erforderlichen Mittel bereitstellen und außerdem
       „außerordentliche Maßnahmen“ treffen, um „die öffentliche Ordnung“ und die
       Kontinuität der öffentlichen Verwaltung in den neuen Provinzen zu
       gewährleisten. In jedem Falle sei der Wahlkalender zu respektieren; es
       müssten also die Provinzwahlen vor jedem anderen Wahlgang stattfinden.
       
       So blockiert die Provinzreform jetzt alle anderen Wahlen, auch die von
       2016. Und das Gerichtsurteil bedeutet, dass Kabila jetzt kommissarische
       Provinzgouverneure ernennen kann, um Provinzwahlen vorzubereiten – und sie
       mit Sondervollmachten ausstatten kann. Nebenbei werden die bisherigen
       Provinzgouverneure, von denen sich manche wie in der Bergbauprovinz Katanga
       zu mächtigen Gegenspielern Kabilas entwickelt hatten, komplett
       kaltgestellt.
       
       Die Opposition fürchtet nun eine Verschiebung sämtlicher Wahlen. Sie sieht
       einen Präzedenzfall dafür, per „außerordentlicher Maßnahme“ die Verfassung
       zu umgehen. Laufende Sondierungsgespräche über einen von Kabila
       vorgeschlagenen „Dialog“ haben die wichtigsten Oppositionskräfte am
       Wochenende abgesagt. Man setzt offenbar wieder auf das Kräftemessen auf der
       Straße.
       
       15 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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