# taz.de -- „Rassistische Armbänder“ in Hamburg: Kennzeichnungspflicht für Flüchtlinge
       
       > In Hamburger Erstaufnahmelagern erhalten Geflüchtete ein blaues Band, das
       > sie in der Öffentlichkeit tragen sollen – um kenntlich zu sein.
       
 (IMG) Bild: Notwendig oder stigmatisierend? Das blaue Band am Arm eines Flüchtlings.
       
       HAMBURG taz | Flüchtlinge in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen werden
       Armbänder umgelegt, die sie auch in der Öffentlichkeit nicht ablegen
       sollen. Mit den Bändchen wurden die Flüchtlinge markiert, die bei einer
       Zählung am Mittwochmorgen in allen Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen
       erfasst wurden. Kritiker halten diese Praxis für menschenverachtend.
       
       Wie der Flüchtling Amer S. aus der Erstaufnahmeeinrichtung am
       Schwarzenbergplatz in Hamburg-Harburg berichtete, sind dort Wohnenden am
       Mittwochmorgen aufgefordert worden, sich zählen zu lassen.
       
       Im Zuge dessen seien ihnen blaue Armbänder mit einer mehrstelligen Zahl um
       das Handgelenk gelegt worden. „Sie müssen es an Ihrem Handgelenk behalten,
       das kennzeichnet Sie als Flüchtling“, sei ihm gesagt worden. Die
       Mitarbeiterin der Einrichtung habe sich geweigert, den Sinn der Armbänder
       zu erläutern.
       
       Die Armbänder, ähneln denen die Konzertbesucher bekommen. Ihre Enden sind
       fest verbunden. Sie können nicht abgelegt werden, ohne dass man sie
       zerreißt. Amer S. erzählt, er habe sich gewehrt und gefragt: „Warum drücken
       Sie mir nicht einen Stempel auf die Stirn?“ Das sei eine rassistische
       Praktik. Amer S. weigerte sich, es anzulegen. Die Mitarbeiterin habe das
       notiert.
       
       ## Auch Flüchtlinge haben Papiere
       
       Amer S.‘ Freund Peter Rettenbach hält diese Praxis für menschenverachtend.
       „Gerade wir als Deutsche können uns das nicht leisten, irgendwelche Leute
       zu kennzeichnen, aus welchen Gründen auch immer“, findet er. „Man kann
       niemanden zwingen, sich so etwas umzuhängen, um damit auf die Straße zu
       gehen.“ Im Übrigen würden die Flüchtlinge würde ja mit Papieren
       ausgestattet, was die Idee noch absurder mache.
       
       „Wir wollten das eigentlich verweigern, weil das stark an dunkle Zeiten in
       der deutschen Geschichte erinnert“, sagte eine Mitarbeiterin einer
       Erstaufnahmeeinrichtung, die nicht genannt werden will, der taz. Fast die
       gesamte Belegschaft habe es als menschenunwürdig betrachtet, die
       Schutzsuchenden mit den Bändern zu kennzeichnen. Die Mitarbeiter hätten
       argumentiert, dass es nicht gerade integrationsfördernd sei, wenn jeder auf
       der Straße sehe, in welcher Situation so ein Mensch sei.
       
       Die Mitarbeiter hätten sogar einen Anwalt konsultiert, um gegen die
       Anweisung eventuell juristisch vorzugehen. Der habe aber die Auskunft
       gegeben, dass dieses Vorgehen nicht offensichtlich rechtswidrig sei.
       
       ## Wer sich weigert, bekommt kein Essen
       
       Dass auch die Besucher von Freizeitparks oder die Patienten von Kliniken
       solche Bänder erhalten, lässt sich in den Augen der Mitarbeiterin aber
       nicht mit dem Fall der Flüchtlinge vergleichen. „Die klare Ansage war:
       ‚Wenn die Bewohner diese Bänder nicht tragen, gehören sie nicht dazu und
       bekommen kein Essen‘.“ Wenn die Innenbehörde ihre Zahlen in Ordnung bringen
       wolle dürfe sie das nicht um den Preis einer Stigmatisierung der
       Flüchtlinge tun.
       
       „Wir haben das erstmalig ausprobiert, um damit eine Zählung zu
       unterstützen“, sagte Susanne Schwendtke, die Sprecherin des städtischen
       Trägers Fördern und Wohnen der taz. Ihr Träger betreibt die meisten
       Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg. Je nach Status – Notaufnahme, bereits
       registriert, wird umziehen – erhielten die Menschen Bändchen
       unterschiedlicher Farben.
       
       ## „Noch ein paar Tage“
       
       „Eigentlich könnten die Flüchtlinge die Bändchen nach der Zählung auch
       abmachen“, sagt Schwendtke. Sie seien aber gebeten worden, die Bänder noch
       ein paar Tage zu tragen, für den Fall, dass nicht alle Flüchtlinge am
       Mittwoch mit der Zählung erfasst werden konnten.
       
       Das Deutsche Rote Kreuz in Harburg, das dort auch Aufnahmeeinrichtungen
       betreibt – allerdings nicht die am Schwarzenbergplatz – will mit dem
       Vorgehen des Hamburger Senats nichts zu tun haben und verneint für die
       eigenen Lager eine solche Praxis.
       
       23 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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