# taz.de -- Regenbogen-Kino regional: Glück nur an den Rändern
       
       > Wenn demnächst die Queerfilmfestivals in Bremen, Hannover, Hamburg und
       > Oldenburg starten, haben sie alle diesen einen Film im Programm: „Stories
       > of Our Lives“.
       
 (IMG) Bild: „Stories of our Lives“ erzählt vom Leben in Kenia, darf dort aber nicht gezeigt werden. Nun ist er gleich auf mehreren Festivals in Norddeutschland zu sehen.
       
       Im November endet alljährlich die Hauptsaison der regionalen Filmfestivals.
       Schlag auf Schlag geradezu reihen sich nun jene auf, die sich an ein
       schwules, lesbisches, bi- und transsexuelles Publikum richten: Das
       [1][Queerfilmfestival] in Bremen (13. bis 18. Oktober), das [2][Festival
       „Perlen“] in Hannover (18. bis 24. Oktober), die [3][Lesbisch Schwulen
       Filmtage in Hamburg] (20. bis 25. Oktober) und das [4][Queerfilmfestival in
       Oldenburg] (19. bis 22. November) stehen nicht in Konkurrenz zueinander.
       Schon vor Längerem haben sich die Veranstalter zusammengetan, bestellen
       gemeinsam Filme, laden Gäste ein. So haben sie eine bessere
       Verhandlungsposition mit Verleihern und Agenturen, können Kosten teilen.
       
       Dennoch: Die vier queeren Festivals haben je ihre eigene Ausrichtung, und
       so ist es nicht selbstverständlich, dass ein Film nun bei allen zu sehen
       ist: „Stories of Our Lives“ ist ein auf den ersten Blick fast unscheinbarer
       Film, nur 60 Minuten lang, gedreht in Schwarzweiß. Unterteilt in fünf
       dramaturgisch unabhängige Segmente, entspricht die
       südafrikanische-kenianische Produktion nicht den gebräuchlichen Maßen und
       Konventionen des Erzählkinos –aber gerade das macht ihn interessant. Zwar
       firmiert Jim Chuchu als Regisseur, und der Film trägt stilistisch auch
       eindeutig seine Handschrift. Auf den Plakaten und im Presseheft muss man
       seinen Namen suchen: den Machern ist es wichtig, als Kollektiv aufzutreten.
       
       Nun ist Filmemachen stets eine kollektive Kunst, aber in der Produktion
       herrscht fast immer eine strenge Hierarchie. Dies wollen die zehn
       Mitglieder der interdisziplinären Kunstgruppe „The Nest Collective“,
       darunter auch Sozialarbeiter und Unternehmer, unterlaufen: Für ihr Projekt
       führten sie Interviews und sammelten die Geschichten von Schwulen, Lesben,
       Bi- und Transsexuellen in Kenia. Aus diesem Material entwickelten sie fünf
       kleine Dramen, die sie zu „Stories of our Lives“ zusammenfügten. Diese
       Kurzgeschichten sind einerseits exemplarisch für die Zustände in Kenia –und
       dann wieder geradezu universell: Da wird etwa erzählt, wie schwer es ist,
       die eigene Sexualität unter einer schwulen- und lesbenfeindlichen
       Gesetzgebung auszuleben. Zugleich geht es aber um Konflikte, denen sich
       Menschen überall stellen müssen –Geschichten unseres Lebens also, ganz
       unabhängig von der sexuellen Orientierung.
       
       Zusammengehalten werden die fünf Geschichten vor allem durch das
       einheitliche stilistische Konzept: Die Bilder sind in Schwarzweiß, meist
       bleibt die Kamera nah an den Protagonisten, Blicke machen mehr deutlich als
       Worte, nie aber setzt der Film auf Melodramatik, In gerade mal einer Stunde
       vermittelt sich erstaunlich viel vom queeren Leben in Kenia, ohne dass es
       überladen wirkte oder didaktisch. Die Filmemacher hatten es auch nicht
       nötig, allzu offensichtlich politisch zu agitieren: Es ist zu spüren, dass
       alle Protagonisten unter dem Druck einer ihnen feindlich gesinnten
       Gesellschaft leben und die Aussicht auf Glück allenfalls an den Rändern
       besteht, oder im Verborgenen, ihr Glück zu finden.
       
       Erstaunlich ist, dass „Stories of Our Lives“ überhaupt in Kenia gemacht
       werden konnte. Schon seine Existenz ist ein subversiver Akt. Während er
       international auf Festivals gefeiert wird und bei der diesjährigen
       Berlinale einen „Teddy“ gewann, wurde der Film in Kenia verboten: Er
       fördere die Homosexualität, hieß es, „was im Widerspruch zu den nationalen
       Normen und Werten steht“.
       
       Dass dieser subtile Film nun die Schnittmenge der diesjährigen
       norddeutschen Queerfilmfestivals bildet, sagt auch etwas darüber aus, wie
       diese sich in den letzten Jahren verändert haben: Lange zeigte man dort vor
       allem Filme zu dezidiert lesbischen oder schwulen Themen; oder die
       Veranstaltenden achteten sehr auf ein Gleichgewicht bei der Programmierung.
       
       Beliebt waren in beiden Lagern die Coming-Out-Filme –wohl auch, weil sich
       darin immer wieder vermeintlich Heterosexuelle in Schwule oder Lesben
       verlieben. Im Programm des 22. Queerfilmfests Bremen beispielsweise taucht
       der Begriff „Coming Out“ nun aber nicht einmal mehr auf. Stattdessen laufen
       dort mehr Filme wie die Dokumentation „Transgender Parents“ über zwei
       schwarze Transmänner und ihre blonde Adoptivtochter.
       
       Überhaupt: Der Begriff Queer wird da immer weiter gefasst und so ist es
       möglich, dass in Bremen ein –nun auch bereits fast ausverkauftes –Kinder-
       und Familienprogramm gezeigt wird: Da wird das Anderssein ganz allgemein
       gefeiert, und ein Zebra darf sich wunderschön fühlen, auch wenn es seine
       Streifen verloren hat.
       
       [5][www.filmfest-perlen.de] 
       
       [6][www.lsf-hamburg.de] 
       
       [7][queerfilmfestival.wordpress.com] 
       
       [8][www.queerfilm.de]
       
       7 Oct 2015
       
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 (DIR) [1] http://www.queerfilm.de
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