# taz.de -- Filmemacher über Kinos in der norddeutschen Provinz: „Danach kommt nur Dänemark“
       
       > In einem Alter, in dem andere die Rente vorbereiten, hat Josef Wutz
       > seinen ersten eigenen Film gedreht: Er handelt von der Leinwand-Provinz.
       
 (IMG) Bild: Hat seinen ersten eignen Film gedreht: Josef Wutz
       
       taz: Herr Wutz, Sie sind als Filmverleiher und Produzent bekannt, haben das
       Filmfest Hamburg geleitet. Wie kommt es, dass Sie mit 64 Jahren Ihren
       ersten eigenen Film machen? 
       
       Josef Wutz: Das hängt mit der neuen digitalen Technik zusammen. Ich habe
       zwar in meinen 20ern schon Super-8-Filme gedreht und versucht, künstlerisch
       wertvolle Sachen zu machen. Als ich dann in die Filmbranche kam und sah,
       wie viele Scharlatane da rumspringen, wollte ich nicht auch noch etwas
       Dilettantisches dazu beitragen. Mit den neuen Fotokameras kann man jetzt
       aber auch sehr hochwertige Filmaufnahmen machen, die sich selbst im Kino
       sehen lassen können.
       
       Wie kamen Sie zum Thema? 
       
       Ursprünglich hat mich fasziniert, dass in St. Peter-Ording das
       „Nordlicht“-Kino von völlig fachfremden Menschen wieder ins Leben gebracht
       wurde – und heute erfolgreich läuft. Das ist ein Ehepaar aus Ostberlin, das
       an die Nordseeküste gezogen ist. Da hat ihnen ein Kino gefehlt, und sie
       haben selbst eins gemacht. Ich habe mal beim Wein mit denen zusammen
       gesessen und da hieß es, über euch sollte es einen Film geben. Und dann
       habe ich gesagt, ich mach das.
       
       Wie sah das ursprüngliche Konzept aus? 
       
       Damit dabei ein Film von mindestens 80 Minuten herauskommen sollte, war
       klar, dass ich noch mehr von diesen kleinen Kinos vorstellen musste. Da
       hatte ich die Idee, mir dafür die nördlichsten Kinos vorzunehmen. Die sind
       deswegen so toll, weil danach nur noch Wasser oder Dänemark kommt. Die
       Gegend ist dünn besiedelt, der Arbeitstitel war „Last Frontier“. Das
       Konzept habe ich der Filmwerkstatt Kiel vorgestellt. Von denen haben wir
       wenige tausend Euro bekommen, um das Projekt zu entwickeln. Wir sind dann
       nach Pellworm, Niebüll oder Kappeln gefahren und plötzlich in Kalifornien
       gelandet, das ist ein Ortsteil von Schönberg – und da gibt es kein Kino.
       
       Herausgekommen ist aber dabei ein ganz anderer Film. 
       
       Mit der Handvoll tausend Euro bin ich ins Ostseebad Prerow in
       Mecklenburg-Vorpommern gefahren und habe zu Weihnachten 2013 im „Cinema“
       meine ersten Aufnahmen gemacht.
       
       Warum ausgerechnet dort? 
       
       Betreiber Frank Schleich ist ein Einzelkämpfer und hat seltsame Probleme:
       Im Winter ist sein Kino leer, denn das ist eine ganz kleine Gemeinde von
       1.400 Leuten. Und im Sommer, wenn alle anderen Kinobetreiber stöhnen, wegen
       des guten Wetters, gibt es da mit den Badegästen für ihn ein riesiges
       Zielpublikum.
       
       Warum genau ist aus dem ursprünglichen Ansatz für den Film nichts geworden? 
       
       Ich habe aus dem ersten Material einen „Teaser“ gemacht und alle aus der
       Branche, denen ich ihn gezeigt habe, fanden ihn gut. Aber egal bei welcher
       Förderanstalt ich das Projekt dann eingereicht habe – ich habe nichts
       bekommen.
       
       Das ist bei Ihnen auch deshalb außergewöhnlich, weil Sie selbst oft in
       Fördergremien gesessen haben, also die Mechanismen genau kennen... 
       
       Ich weiß, bei solchen Entscheidungen kommt es immer auf die Tagesform an.
       Wenn sich jemand in der Sitzung findet, der sich mit drei, vier Sätzen für
       einen Film stark macht, dann ist der durch. Dass es nicht auf große Liebe
       stößt, wenn der Wutz nun auch noch einen Film machen will, war mir von
       vornherein klar. Ich weiß, es gibt kein Recht auf Förderung, und deswegen
       auch kein Gejammer von mir. Ich habe mir dann gesagt: Ich mache alleine
       weiter.
       
       Am Ende stehen nun 40 Minuten Langzeitbeobachtung. 
       
       Mir haben andere Filmemacher gesagt, dass man eigentlich mehr über die
       Leute als über ihre Kinos erfahren will. Da hab ich gedacht, vielleicht
       reicht es ja, wenn ich eine Zeitlang den Herrn Schleich, sein Kino und
       seine Familie mit der Kamera beobachte.
       
       Was ist das Besondere an diesem Frank Schleich? 
       
       Er hat sich schon als Lehrling um den Filmclub in Prerow bemüht. Da war er
       dann auch Angestellter, und als es in die Grütze geritten wurde, hat er
       Schulden gemacht und dieses Kino gekauft, weil er sich sagte: „Es gibt
       nichts Besseres in meinem Leben als Kino zu machen.“
       
       Ihr Protagonist hat über das Internet eine Frau aus China kennengelernt und
       geheiratet. 
       
       Das war für mich wie ein Sechser im Lotto. Drei Jahre mit diesen
       Geschehnissen, das ist ein Geschenk. Beim ersten Besuch war Frau Schleich
       ja erst einige Monaten zuvor aus China nach Prerow gezogen, beim zweiten
       Besuch war sie schwanger – und es kamen plötzlich viele Leute ins Kino. Und
       im dritten Jahr war dann auch noch das Kind da.
       
       Premiere ist am Sonntag – auf dem 1. „Norddeutschen Film-Festival“ in
       Rendsburg. 
       
       In der „Schauburg“ habe ich alle von mir verliehenen Filme gezeigt, und
       auch bei unseren Kunstfilmen war es immer so gut gemacht, dass wir auch
       Zuschauer hatten. Ich habe dann über die Jahre mit der Betreiberin auch
       über meinen Film geredet, und vor etwa einem Vierteljahr kam ihr Anruf,
       dass sie ihn gerne auf ihrem Festival zeigen wollte. Ich habe ihr dann
       nicht gesagt, dass es den Film so noch gar nicht gab, sondern mich statt
       dessen um Postproduktion gekümmert. Und jetzt ist er fertig.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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