# taz.de -- Flüchtlingsunterbringung contra Naturschutz: Anwohner fürchten um Idylle
       
       > Der Bezirk Hamburg-Mitte legt Standort für 800 Wohnungen für Flüchtlinge
       > fest: Flächen am Öjendorfer See bekommen den Zuschlag.
       
 (IMG) Bild: Da sollen die Flüchtlinge hin: Öjendorfer See.
       
       HAMBURG taz | Mit rot-rot-grüner Mehrheit hat die Bezirksversammlung
       Hamburg-Mitte am Dienstagabend eine Großsiedlung für 3.000 Flüchtlinge am
       Öjendorfer See in Billstedt beschlossen. 2016 soll sie nach vereinfachtem
       Baurecht aus dem Boden gestampft werden. CDU und AfD lehnten die Pläne ab.
       Viele AnwohnerInnen halten das Projekt für überdimensioniert, sie fürchten
       um den Wert ihrer Grundstücke und kritisieren die Zubetonierung eines ihrer
       letzten Naherholungsgebiete. Zwei Bürgerinitiativen drohen mit einer Klage
       gegen die Bebauung.
       
       Auch die Regierungsfraktionen machten am Dienstag deutlich, dass ihr Antrag
       Resultat eines Ausnahmezustandes ist. Als „sehr problematisch“, empfand
       SPD-Fraktionschef Falko Drossmann die Bebauung, und der Grünen-Abgeordnete
       Lothar Knode betonte, „dass wir einer solchen Bebauung innerstädtischer
       Grünflächen vor ein paar Jahren niemals zugestimmt“ hätten. Das sei „ein
       schwerer Weg“, fand auch der grüne Fraktionschef Michael Osterburg. „Die
       beiden Flächen in Öjendorf sind konkurrenzlos“, meinte hingegen
       Bezirksamtsleiter Andy Grote und brachte damit das zentrale Argument der
       Koalitionäre auf den Punkt.
       
       Mit der Entscheidung kommt die Koalition in Mitte der Aufforderung des
       Senats an alle Bezirke nach, große Freiflächen für den zügigen Bau von
       jeweils 800 Wohnungen für die Folgeunterbringung von 3.000 Flüchtlingen zu
       benennen. Bei den zwei Flächen handelt es sich um ein landwirtschaftlich
       genutztes, etwa 20 Hektar großes, sich an den Öjendorfer Park
       anschmiegendes Areal am Haßlohredder und ein acht Hektar großes Gebiet am
       Haferblöcken. Dieses liegt direkt an einem Eigenheim-Neubaugebiet und
       grenzt an den Öjendorfer See. Besonders die Bewohner des Neubaugebietes
       befürchten nun einen Wertverlust ihrer Häuser. „Statt einem
       Naherholungsgebiet haben wir nun bald ein Ghetto vor der Haustür“, klagte
       eine der Anwohnerinnen.
       
       Auch für die CDU ist das Neubaugebiet „der falsche Weg“. Sie forderte
       „kleinteilige Standorte der Flüchtlingsunterbringung“. Eine Forderung, die
       von den SPD-Abgeordneten mit hämischen „Wo? Wo?“-Rufen kommentiert wurde.
       Bezirkschef Andy Grote (SPD) konterte: „Dezentrale Unterkünfte hätten wir
       alle gern – nur können wir in ihnen nicht einen Bruchteil der Flüchtlinge
       unterbringen, die wir unterbringen müssen.“
       
       Durch die geplante Flüchtlingssiedlung werde Billstedt, wo heute schon rund
       2.000 Flüchtlinge leben, „stärker belastet als jeder andere Stadtteil“,
       warnt die CDU. „Die Situation ist außer Kontrolle geraten“, sagte ihr
       Fraktionsvize Carsten Rhode am Dienstag. Schon heute hätten 50 Prozent
       aller Billstedter einen Migrationshintergrund. Käme die geplante Bebauung,
       würde „jeder zehnte Stadtteilbewohner in öffentlicher Unterbringung“ leben.
       
       „Sie verschließen die Augen vor der Wirklichkeit und schaffen mit ihrem
       Antrag Scheinrealitäten“, verteidigte der Abgeordnete Carl- Philipp Schöpe
       den SPD-Antrag. Die Bezirks-SPD will die AnwohnerInnen in zahlreichen
       Workshops an der konkreten Gestaltung der Bebauung beteiligen, die zwei bis
       vier Stockwerke aufweisen soll. Sie bindet ihre Zustimmung zur Großbebauung
       aber auch an 370.000 Euro jährlich von der Stadt für soziale Infrastruktur,
       um damit Kinderbetreuung, Sozialberatung und Sprachförderung zu
       finanzieren.
       
       5 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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