# taz.de -- Wissenschaftler über Spieltheorien: Vom Spiel des Lebens
       
       > Dass sich viele Entscheidungen im Leben mathematisch beschreiben lassen,
       > ist die Idee der Spieltheorie. Rudolf Taschner hat ihr sein neuestes Buch
       > gewidmet.
       
 (IMG) Bild: Ein guter Spieltheoretiker muss nicht zwangsläufig ein guter Pokerspieler sein.
       
       taz: Herr Taschner, wo liegen die Wurzeln der Spieltheorie? 
       
       Rudolf Taschner: Der Vater der Spieltheorie ist John von Neumann, ein
       mathematischer Tausendsassa und leidenschaftlicher Pokerspieler. Er hat
       sich Ende der 20er Jahre mit Strategien bei Gesellschaftsspielen
       beschäftigt. Das Problem ist folgendes: Die Konsequenzen des eignen Zuges
       sind für Spieler schwer voraussagbar und hängen stark vom Gegenüber ab.
       Bevor man sich für einen Zug entscheidet, muss man sich deshalb überlegen,
       wie der Gegenspieler reagieren könnte und welche Strategie er als nächstes
       plant. Von Neumann wollte diese Überlegungen mathematisch beschreiben. Das
       gelang ihm vor allem für Nullsummenspiele nach dem Prinzip „Was einer
       gewinnt, das verliert der andere.“ In der Mathematik stießen seine ersten
       Abhandlungen auf großes Interesse. Zusammen mit dem Ökonomen Oskar
       Morgenstern hat er die Spieltheorie noch auf ökonomisches Handeln
       übertragen und damit ihren Siegeszug angestoßen.
       
       Die Spieltheorie ist auf Probleme in Wirtschaft und Politik anwendbar. Doch
       dabei gibt es oft mehr als nur Sieg und Niederlage, nämlich Kompromisse. 
       
       Die Möglichkeit der Win-Win-Situation hat ein junger Amerikaner namens John
       Nash in die Spieltheorie eingebracht. Durch die Analyse von Strategien, von
       denen beide Parteien profitieren, wurde sie endgültig für die Wirtschaft
       und Politik interessant. Denn gerade in sehr komplexen Situationen zeigt
       sich, dass Kooperation oft die beste Strategie ist. Das gilt natürlich
       nicht für Poker und Co. Nash bekam übrigens für seine Erkenntnisse den
       Wirtschaftsnobelpreis.
       
       Basieren viele Entscheidungen in Politik und Wirtschaft auf der
       Spieltheorie? 
       
       Banken und Beratungsagenturen beschäftigen Spieltheoretiker. Sie versuchen
       die Strategien von Konkurrenten und Verhandlungspartnern vorauszusagen und
       bewerten das Risiko von Investitionen oder politischen Entscheidungen.
       Schon John Nash soll die amerikanische Regierung in der Kubakrise beraten
       haben. Inwieweit sich John F. Kennedy am Ende auf die Mathematik verlassen
       hat, kann man heute nur schwer sagen. Tatsächlich lassen sich aber viele
       komplexe Verhandlungsstrategien durch die Spieltheorie erklären. Ein
       aktuelles Beispiel dafür sind die Bemühungen von Griechenlands ehemaligem
       Finanzminister Yanis Varoufakis, übrigens einem ausgewiesenem
       Spieltheorie-Experten.
       
       In der Kuba- und Griechenlandkrise gab es zähe Verhandlungen. Können Sie
       einmal die mathematischen Dimensionen der spieltheoretischen Beschreibung
       skizzieren? 
       
       Es wird eine Übersicht von Vorteilen und Nachteilen erstellt: Wenn die USA
       diesen Schritt ginge, reagiere die Sowjetunion mit dem jeweils anderen
       Schritt. So entsteht eine große Matrix aus über 3.000 mal 3.000 Feldern.
       Der Präsident bekommt daraus eine genaue Anleitung mit Entscheidungsketten:
       „Hier musst du lügen, da die Wahrheit sagen, dort schweigen, weil wir
       wissen, dass der andere wahrscheinlich da lügt, da die Wahrheit sagt, dort
       schweigt.“ Die mathematische Analyse ist extrem kompliziert.
       
       Wie groß ist ihre Aussagekraft für das echte Leben? 
       
       Viele mathematische Modelle sind stark vereinfacht, aber beschreiben den
       Kern einer Sache dennoch gut. So ist das natürlich auch bei der
       Spieltheorie. Die echte Verhandlungsrealität ist einfach viel komplexer als
       das Modell und genau darin liegen die Grenzen.
       
       Kann ich trotzdem die Spieltheorie für mein eigenes Leben nutzen? 
       
       John von Neumann hat die Spieltheorie erfunden und war trotzdem ein
       lausiger Pokerspieler. Die Spieltheorie ist nicht unbedingt zum Gewinnen
       erfunden worden, sondern dient eher zur besseren Analyse und Beschreibung
       von komplexen Situationen und hilft dabei, rationale Entscheidungen zu
       treffen. Ich vergleiche das gerne mit der Meteorologie. Wir können Wetter
       beschreiben und bedingt voraussagen, aber praktisch nicht beeinflussen. Ich
       glaube, im Alltag sollte man den gesunden Menschenverstand und das
       Bauchgefühl keinesfalls einer spieltheoretische Analyse opfern. Das macht
       aber die Beschäftigung mit ihren Problemen und Fragestellungen nicht
       weniger spannend.
       
       1 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Birk Grüling
       
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