# taz.de -- Künstler Ellsworth Kelly gestorben: Die klare Farbkante
       
       > Abstrakte Bilder mit klaren Linien und kräftigen Farben machten den
       > US-amerikanischen Maler Ellsworth Kelly berühmt. Am Sonntag starb er im
       > Alter von 92 Jahren.
       
 (IMG) Bild: Klare Farben, die sich nicht überlappen: Maler Ellsworth Kelly war für seine „harte Kante“ bekannt.
       
       NEW YORK dpa | Wenn Ellsworth Kelly zuletzt auftrat, zog er ein Wägelchen
       hinter sich her. Darauf lag eine Sauerstoffflasche, ein Schlauch führte zur
       Nase des alten Mannes. Aber er wollte noch auftreten, sich noch zu Wort
       melden, in der Szene mitmischen. Ellsworth Kelly gehörte zu den weltweit
       einflussreichsten Künstlern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am
       Sonntag ist der US-amerikanische Maler und Bildhauer mit 92 Jahren in
       seinem Haus in Spencerton nahe New York gestorben, wie die New York Times
       unter Berufung auf die Matthew Marks Gallery in Manhattan, die den Künstler
       vertrat, berichtete.
       
       Kelly galt als einer der wichtigsten Vertreter des sogenannten Hard Edge.
       Das wird nicht umsonst mit „harte Kante“ übersetzt: Abstrakte Darstellungen
       mit klaren Linien und wenigen, unvermischten, stark akzentuierten Farben.
       Am besten auf weißem, zumindest einfarbigem Untergrund. Kellys Farben sind
       wie aus dem Lego-Kasten: Leuchtend rot, strahlend gelb, tiefblau, aber
       schön getrennt. Das mochte unkreativ wirken, aber die Kreativität besteht
       darin, etwas daraus zu machen.
       
       Und Kelly machte. Sein „Red, Yellow, Blue II“ war genau das: drei große
       Leinwände, eine in Rot, die zweite in Gelb, die dritte blau. Das erregte
       Anfang der Sechziger Aufsehen. Die Farben blieben sein Markenzeichen,
       ebenso wie Quadrate; kleine und große, einzeln und zu Dutzenden. Aber auch
       einfach schwarz und weiß, damit hatte er als junger Mann angefangen,
       blieben in seinem Repertoire.
       
       Kellys Reputation wuchs. Mehrmals nahm er an der Documenta in Kassel teil.
       1973 widmete ihm das Museum of Modern Art in New York die erste
       Retrospektive. Eine weitere Retrospektive des New Yorker Guggenheim-Museums
       im Jahr 1996 wurde später auch im Haus der Kunst in München gezeigt. Im
       Jahr 2000 erhielt Ellsworth Kelly den Praemium Imperiale, eine der weltweit
       wichtigsten Auszeichnungen auf dem Gebiet der Kunst. 2013 überreichte ihm
       US-Präsident Barack Obama die National Medal of Arts, die höchste
       Auszeichnung der USA für Künstler. Kellys 90. Geburtstag am 31. Mai 2013
       würdigten mehrere Galerien mit Sonderschauen.
       
       Wenn man im Städtchen Newburgh nördlich von New York als Sohn eines
       Versicherungskaufmanns aufwächst, ist das nicht gerade der Startschuss für
       eine große Künstlerkarriere. Doch der junge Ellsworth Kelly wollte malen,
       wollte sich ausdrücken und begann in New York ein Kunststudium.
       Unterbrochen wurde das von seinem Einsatz im Zweiten Weltkrieg in der
       „Ghost Army“: Mit aufblasbaren Panzern und gewaltigen Lautsprechern
       täuschten er und seine Kameraden der Wehrmacht gewaltige Armeen vor, wo gar
       keine waren.
       
       ## Kelly war nicht auf Anhieb erfolgreich
       
       Der Krieg brachte ihn nach Paris, bald kehrte er in die Stadt zurück. Die
       sechs Jahre waren prägend, hier traf er Joan Miró, Alexander Calder, Hans
       Arp und andere. Aber er war nur der junge Nachwuchskünstler aus Amerika.
       Als er in die USA zurückwollte und seine Mutter um 400 Dollar – 200 für
       sein Ticket, 200 für seine Bilder – bat, schickte sie nur 200: „Lass‘ die
       Bilder da!“
       
       Das New York, in das er zurückkam, verstand sich als progressiv, war aber
       für den jungen Maler – mit 31 auch nicht mehr ganz so jung – viel zu
       konservativ. Die Szene wurde von Jackson Pollock und dem Abstrakten
       Expressionismus beherrscht, in den Galerien hingen große Bilder mit wirren
       Kurven, gemalt, getropft, gespachtelt. Kelly antwortete mit klaren Formen,
       wie mit Schablone und Lineal gezogen. Keine Farbe ging, Gott bewahre!, in
       die andere über. Das war neu, das war anders – und keiner wollte es sehen.
       
       Die New Yorker Kunstszene sei „sehr rau“, urteilte Kelly damals. Die New
       Yorker Kunstszene verhalf ihm aber auch zum Durchbruch: Mit der Ausstellung
       „Sixteen Americans“ (Sechzehn Amerikaner) des renommierten Museum of Modern
       Art (MoMA) wurde Kelly 1959 bekannt.
       
       1958 schuf Kelly seine erste Skulptur. Was er da aus Holz schnitt, glich
       dem Totempfahl der Indianer – kein Zufall. Später verwendete er mehr
       Metall, und diese Kunst sicherte ihm einen Platz im Herzen Deutschlands:
       Auf dem Innenhof der US-Botschaft in Berlin wurde 2008 ein Totem von ihm
       aufgestellt, zwölf Meter hoch, 15 Tonnen schwer. Doch berühmt ist er für
       seine Bilder – auch wenn ihn die nach eigener Aussage selbst gar nicht
       wichtig waren: „Der Raum, der mich interessiert, ist nicht die Leinwand,
       sondern der Raum zwischen Dir und dem Bild.“
       
       28 Dec 2015
       
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