# taz.de -- Kommentar Obergrenze für Flüchtlinge: Österreich tritt Lawine los
       
       > Die Pläne der SPÖ-Regierung stehen für ein Europa, das an seinen
       > nationalen Egoismen scheitert. Sie setzen auch Angela Merkel unter Druck.
       
 (IMG) Bild: Lawinen können Todesopfer fordern. In diesem Fall würde es sich um Flüchtlinge handeln.
       
       Dass Österreich bei der Aufnahme von Flüchtlingen jetzt [1][eine
       Obergrenze] ziehen will, wirkt wie ein Paukenschlag. Dabei ist völlig
       offen, wie diese Obergrenze umgesetzt werden soll und ob sie mit
       europäischem Recht vereinbar ist. Ministerpräsident Werner Faymann (SPÖ)
       spricht deshalb vorsichtiger von einem „Richtwert“.
       
       Es ist aber mehr als nur eine hilflose Geste. Denn Österreich will seine
       Grenzkontrollen massiv verschärfen, um Flüchtlinge bei Bedarf zurückweisen
       zu können. Die Ankündigung setzt außerdem Angela Merkel unter Druck. Bei
       der CSU, [2][wo sie am Abend in Wildbad Kreuth erwartet wurde], dürften
       beim Wort „Obergrenze“ schon die Sektkorken geknallt haben.
       
       In Davos entwarf Joachim Gauck derweil das Schreckensszenario eines
       Europas, das an seinen nationalen Egoismen scheitert und zerfällt. Die
       Entscheidung in Wien droht diese Entwicklung zu beschleunigen.
       
       Dabei hat doch die Kanzlerin recht: Das Asylrecht kennt keine Obergrenze.
       Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist jeder EU-Staat verpflichtet, den
       Asylantrag eines Flüchtlings, für den er laut Dublin-Verordnung zuständig
       ist, nach deren Kriterien zu prüfen und ihm Schutz zu gewähren.
       
       Seit Jahren schieben sich die europäischen Länder gegenseitig die
       Verantwortung für diese Flüchtlinge zu. Merkel versucht, eine gemeinsame
       Haltung zu erzwingen, mit der Europa seinem humanitären Selbstverständnis
       gerecht wird. Doch in Europa steht sie damit ziemlich allein, und auch im
       eigenen Land bröckelt die Zustimmung.
       
       Dabei ist es völlig egal, dass der IWF erst kürzlich prophezeite, die
       Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien werde Ländern wie Schweden,
       Deutschland und Österreich mehr Wirtschaftswachstum bringen. Was sind schon
       Fakten und Prognosen, wenn das Bauchgefühl regiert? In großen Teilen der
       Bevölkerung überwiegen die Verunsicherung und die Ängste, und diese werden
       von Demagogen geschürt.
       
       Die Regierung in Wien bezeichnet ihren Schritt als „Notlösung“ und „Plan
       B“. Sie wolle damit den Druck auf andere europäische Länder erhöhen, mehr
       Flüchtlinge aufzunehmen. Stattdessen tritt sie eine Lawine los. Wenn jetzt
       auch Österreich die Reißleine zieht, werden sich andere Länder erst recht
       in ihrer Verweigerungshaltung bestätigt sehen. Am Ende werden wieder mehr
       Flüchtlinge an den Außengrenzen ertrinken oder stranden.
       
       20 Jan 2016
       
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