# taz.de -- Gutachten zu Lehrerbezahlung: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
       
       > Ein Rechtsgutachten für NRW hält die unterschiedliche Besoldung von
       > Lehrern verschiedener Schultypen für verfassungswidrig.
       
 (IMG) Bild: Heute schon die Persönlichkeit gebildet? Das wird zunehmend die Aufgabe aller Lehrer.
       
       Lehrer an unterschiedlichen Schularten sollen die gleiche Besoldung
       erhalten. Das fordern die Lehrer-Gewerkschaften GEW und VBE. Neuen Wind
       bringt jetzt ein GEW-Gutachten des Rechtsprofessors Ralf Brinktrine, der
       die ungleiche Bezahlung von Grundschul- und Gymnasiallehrern für
       verfassungswidrig hält – jedenfalls in Nordrhein-Westfalen.
       
       In NRW unterrichten rund 150.000 beamtete Lehrer. Bei der Besoldung gibt es
       allerdings große Unterschiede. Grundschul-, Hauptschul- und Realschullehrer
       starten mit der Stufe A 12, während Gymnasiallehrer von Beginn an nach
       Stufe A 13 besoldet werden. Ein Grundschullehrer bekommt in NRW demnach
       3.233 Euro pro Monat und ein Gymnasiallehrer mit 3.868 Euro rund 600 Euro
       mehr (jeweils brutto). Das Zwei-Klassen-System in der Lehrerschaft ist
       keine Besonderheit von NRW. Grundschullehrer werden bundesweit schlechter
       bezahlt als Gymnasiallehrer.
       
       Brinktrine sieht in der Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen das
       Grundgesetz – zumindest in NRW. Denn dort gilt seit 2009 ein neues
       Lehrerausbildungsgesetz. Danach werden alle Lehrer strukturell gleich
       ausgebildet. Nach einem Bachelor-Abschluss mit dreijähriger
       Regelstudienzeit folgt ein zweijähriges Master-Studium und schließlich ein
       18-monatiges Referendariat in der Schule. Differenziert wird nur noch bei
       den Studieninhalten. Brinktrine sieht bei der Ausbildung „keine
       wesentlichen Unterschiede“ mehr, die eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen
       könnten.
       
       Dieses Argument zieht allerdings nicht überall. Laut GEW haben erst sieben
       Bundesländer die Ausbildung der Lehrer weitgehend vereinheitlicht. Neben
       NRW sind dies Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und
       Schleswig-Holstein.
       
       ## Aufgaben der Lehrer gleichen sich an
       
       Was Brinktrine rechtlich beanstandet, ist ein Verstoß gegen das sogenannte
       Alimentationsprinzip. Es garantiert den Beamten eine „angemessene“
       Besoldung für das jeweilige Amt. Das Alimentationsprinzip gehört zu den
       „hergebrachten Grundsätzen der Berufsbeamtentums“, die im Grundgesetz
       ausdrücklich geschützt sind. Was „angemessen“ ist, bestimmt sich laut
       Bundesverfassungsgericht nicht nur nach der Ausbildung der Beamten, sondern
       auch nach ihren Aufgaben und dem Ansehen ihres Amtes.
       
       Die Aufgaben der Lehrer werden nach Auffassung Brinktrines jedoch an allen
       Schularten immer ähnlicher. Im Mittelpunkt stehe zunehmend die allgemeine
       Persönlichkeitsbildung, während die Vermittlung der Unterrichtsinhalte
       unwichtiger werde. Zudem komme die Integration und Inklusion einer immer
       heterogeneren Schülerschaft an allen Schularten als neue Großaufgabe hinzu.
       Brinktrine bezweifelt auch, dass Gymnasiallehrer ein höheres Ansehen in der
       Gesellschaft haben.
       
       Für eine unterschiedliche Besoldung fehlten also sachliche Gründe, so der
       Würzburger Rechtsprofessor. Es sei nicht nur das Alimentationsprinzip
       verletzt, sondern auch das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Zu einem
       ähnlichen Ergebnis war 2011 bereits der Bielefelder Rechtsprofessor
       Christoph Gusy gekommen. Titel seines Gutachtens für den Verband VBE:
       „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
       
       Ob eine Klage beim Bundesverfassungsgericht aber wirklich Erfolg hätte, ist
       zweifelhaft. Immerhin räumt Karlsruhe den Landes-Gesetzgebern bei der
       Besoldungsstruktur einen „weiten Gestaltungsspielraum“ ein. So könnte das
       Gericht als Grund für die Ungleichbehandlung gelten lassen, dass
       anspruchsvollere Unterrichtsinhalte auch eine bessere Bezahlung der Lehrer
       rechtfertigen. Es ist jedenfalls nicht zwingend, dass in den Schulen fast
       nur noch Erziehung und Sozialarbeit stattfindet, wie Brinktrine und die
       Gewerkschaften nahelegen.
       
       ## Mehrkosten von 200 Millionen Euro
       
       Vielleicht auch deshalb will die GEW derzeit keine Musterklagen initiieren.
       Die Gewerkschaft setzt zunächst vielmehr auf Verhandlungen mit der
       rot-grünen Landesregierung. Die anstehende Dienstrechtsreform in NRW könnte
       hierfür ein guter Rahmen sein. Der VBE verweist zwar auf die bereits
       anhängige Klage eines Hauptschullehrers beim Verwaltungsgericht Arnsberg.
       Dort geht es aber wohl weniger um die Ungleichbehandlung der Lehrergruppen,
       sondern eher um die schlechte Bezahlung der Beamten allgemein.
       
       NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte sich früher bereits für
       eine Gleichbehandlung der Lehrer ausgesprochen. Nach Vorstellung des
       GEW-Gutachtens sagte sie aber nur, die Landesregierung werde die Expertise
       prüfen. Federführend ist dabei nicht einmal die Schulministerin selbst,
       sondern das Finanzministerium. Und von dort ist kaum mit Unterstützung zu
       rechnen.
       
       Denn natürlich würde eine Aufwertung der Grund- und Hauptschullehrer Geld
       kosten. Ginge es nur um die jährlich rund 2.500 Neueinstellungen, dann
       stiegen die Kosten laut GEW zwar lediglich um 16,5 Millionen Euro pro Jahr.
       Es wäre aber kaum vermittelbar, dass nur die Berufsanfänger (wegen ihrer
       besseren Ausbildung) A 13 bekommen, während die erfahreneren Kollegen bei A
       12 stehen bleiben müssten. Eine Hochstufung aller A-12-Lehrer würde
       jährlich allerdings über 200 Millionen Euro kosten.
       
       Gegen die Aufwertung der Grund- und Hauptschullehrer ist auch der
       Philologenverband. Er befürchtet, dass der Trend zum Einheitslehrer
       letztlich auf Kosten der Gymnasiallehrer geht. Völlig abwegig ist das
       nicht. Schließlich könnte die Gleichbehandlung auch durch eine Herabstufung
       erfolgen.
       
       2 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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