# taz.de -- Sozialisten in Spanien unter Druck: Die marxistischen Horden
       
       > Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy pokert: Er setzt
       > bei der Regierungsbildung auf ein Scheitern der Sozialisten.
       
 (IMG) Bild: Zocker: Mariano Rajoy.
       
       MADRID dpa | Die Karikatur am Wochenende in der der größten spanischen
       Zeitung El País spricht Bände: Ein Mann wacht mitten in der Nacht aus einem
       Alptraum auf und schreit: „Die Horden! Die marxistischen Horden!“ Dass der
       konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy den Sozialisten aus taktischen
       Gründen den Vortritt bei der Regierungsbildung gelassen hat, verunsichert
       viele Spanier. Das Gezerre um die Regierungsbildung in der viertgrößten
       Volkswirtschaft der EU dauert nun schon seit der Wahl vor gut einem Monat
       an.
       
       Anders als Rajoy will Sozialisten-Chef Pedro Sánchez nach Berichten vom
       Sonntag König Felipe VI. nächste Woche keine Abfuhr erteilen, sollte ihn
       das Staatsoberhaupt mit der Regierungsbildung beauftragen. Sánchez braucht
       zum Regieren aber die Unterstützung mehrerer Linksparteien und
       nationalistischer Regionalgruppierungen. Sein wichtigster Partner wäre aber
       die antikapitalistische Protestpartei Podemos (Wir Können) von
       Politikdozent Pablo Iglesias.
       
       Da läuten nicht nur bei den Konservativen, sondern auch bei den Sozialisten
       (PSOE) und neutralen Beobachtern die Alarmglocken: Unter Anspielung auf die
       vorgeblich sehr guten Beziehungen des erst 37 Jahre jungen Iglesias zu den
       Regierungen Venezuelas und des Irans provozierte der Fraktionssprecher von
       Rajoys Volkspartei (PP), Rafael Hernando: „Sánchez muss sagen, ob er einen
       Angestellten von (Venezuelas Präsident Nicolás) Maduro und des Irans als
       stellvertretenden Regierungschef haben will.“
       
       El País sprach in einem ungewöhnlich langen Leitartikel von einem „heiklen
       Szenarium“. Das Blatt ist linksliberal und fordert Rajoy zu „einem
       endgültigen Abtritt“ auf, schlägt aber irgendwann in die gleiche Kerbe wie
       Hernando: Sánchez sei „nun Iglesias völlig ausgeliefert“, heißt es. Es gebe
       für die Sozialisten „kaum einen unzuverlässigeren Partner“ als Podemos –
       eine Partei, die auch die Zerstörung der PSOE zum erklärten Ziel habe,
       warnt die Zeitung.
       
       ## Warum hat Rajoy nachgegeben?
       
       Beim Weltwirtschaftsforum in Davos forderte Francisco González, Chef der
       Großbank BBVA, „eine stabile Regierung, die nicht an Utopien glaubt.“ Auch
       innerhalb der PSOE regt sich Widerstand. Die einflussreiche
       Regierungschefin der Region Andalusien, Susana Díaz, meinte, der Platz der
       PSOE als Partei mit nur dem zweitbesten Wahl-Ergebnis sei „in der
       Opposition, wo der Wähler uns platziert hat.“
       
       Doch warum hat Rajoy nachgegeben? Die Medien sind davon überzeugt, dass der
       60-Jährige auf ein Scheitern der Gespräche der Linken setzt. Und dass er
       darauf hofft, dass die PSOE – mit oder ohne den intern umstrittenen Sánchez
       an der Spitze – früher oder später sich auf den Vorschlag einer „großen
       Koalition“ nach, wie man bei der PP so oft sagt, „bewährtem deutschen
       Muster“ einlassen wird.
       
       Rajoy will sich offenbar einer frühen Wahl im Parlament nicht stellen, weil
       nach der ersten Abstimmung ja gemäß Verfassung das Countdown für Neuwahlen
       zu laufen beginnt. Die Frist für die Regierungsbildung beträgt dann zwei
       Monate. Und Rajoy, so heißt, wolle keinen neuen Urnengang, sondern das Ja
       der Sozialisten.
       
       Nicht wenige in der PSOE fürchten nun, dass Rajoy mit seiner Taktik Erfolg
       haben könnte. Der Verzicht des Regierungschefs löst daher wenig Jubel aus.
       César Luena, Nummer zwei der Partei, bezeichnete Rajoy erbost als
       „Hütchenspieler“, der Verantwortung scheue. Die Gespräche über die
       Regierungsbildung arten zur Schlammschlacht aus.
       
       ## Ein Desaster
       
       Nach einer Umfrage von El País bereitet der Mehrheit der Spanier
       unterdessen nicht nur eine instabile Linksregierung Angst, sondern auch die
       politische Hängepartie, die sich bis zu eventuellen Neuwahlen bis Mai und
       länger hinziehen könnte. 61 Prozent der Leser meinten, die Wirtschaft des
       Landes werde Schaden davontragen. Die meisten fordern zudem, sowohl Rajoy
       (62 Prozent) als auch Sánchez (50) müssten anderen Politikern in ihrer
       Parteien Platz machen.
       
       Einige meinen derweil, nicht (nur) Rajoy, Sánchez & Co. seien an der
       Malaise schuld. Joseph Stiglitz, Wirtschafts-Nobelpreisträger von 2001,
       schimpfte dieser Tage in Davos auf die EU. „Was man mit Spanien (mit den
       Brüsseler Sparauflagen) gemacht hat, ist ein Desaster.“ Ein Land, das wie
       Spanien eine Jugendarbeitslosigkeit von rund 50 Prozent habe, befinde sich
       in einer Depression.
       
       24 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emilio Rappold
       
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