# taz.de -- 88. Oscar-Verleihung: Preise nur für Weiße
       
       > Kein einziger Preisträger ist schwarz, prangert Chris Rock in seiner
       > Eröffnungsrede an. Auch Leonardo DiCaprio und Lady Gaga geben sich
       > politisch.
       
 (IMG) Bild: Bye, bye. Und macht‘s doch nächstes Mal bitte besser. Chris Rock nach Ende seiner Rede
       
       CHICAGO taz | Wenigstens ist Chris Rock im Dolby Theater in Los Angeles. Er
       zieht das Thema der 88. Oscar-Verleihung durch, das im Vorfeld über den
       Hashtag #OscarsSoWhite für Kritik gesorgt hatte: Kein einziger Preisträger
       an diesem Abend ist schwarz – weil es nur weiße Nominierte gibt. „Wenn sie
       hier die Gastgeber nominieren würden, wäre ich nicht hier“, sagt Rock in
       seiner Eröffnungsrede und spricht von den „White People’s Choice Awards.“
       Bissig wird er, als er sagt, das „In-Memoriam-Video“ werde nur von
       Polizisten erschossene Afroamerikaner zeigen. Da braucht es einen Moment,
       bis Hollywood, das sich so gern liberal gibt, klatscht.
       
       Rock findet die richtige Mischung aus einem angriffslustigen, aber auch
       versöhnlichen Auftritt. Nichts anderes als Möglichkeiten sollten schwarze
       Schauspieler erhalten – und das nicht nur einmal in ihrer Karriere, sondern
       kontinuierlich.
       
       Die Auszeichnungen sind bei diesem dominierenden Thema beinahe
       nebensächlich – und ziemlich erwartbar. Leonardo DiCaprio gewinnt endlich
       seinen Oscar für seine Darstellung eines Trappers in „The Revenant“,
       Alejandro González Iñárritu wird für die Regie des Films ausgezeichnet.
       Brie Larson bekommt den Oscar als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in
       „Raum“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans über eine Mutter und ihren
       Sohn, die nach jahrlanger Gefangenschaft in einem Kelleraum entkommen.
       
       Nur in der Kategorie „Bester Film“ gewinnt nicht der erwartbare
       Survival-Western „The Revenant“, sondern sehr verdient der starke Film
       „Spotlight“, der die Recherchen des Boston Globe über den systematischen
       Missbrauch in der katholischen Kirche thematisiert.
       
       ## Lady Gaga sorgt für Emotionen
       
       Mit zwölf Nominierungen war „The Revenant“ Favorit des Abends, doch das
       Endzeit-Drama „Mad Max: Fury Road“ grätscht dem im Vorfeld so gepuschten
       Film in die Parade und gewinnt sechs Trophäen, vor allen Dingen in
       technischen Kategorien. Beste Nebendarstellerin wird Alicia Vikander aus
       „The Danish Girl“, bester Nebendarsteller Mark Rylance aus „Bridge of Spies
       – Der Unterhändler“.
       
       Ebenso nebensächlich wie die erwartbaren Auszeichnungen sind die Reden, die
       zum Großteil nicht über das übliche Danksagungsklischee hinausgehen.
       Wenigstens nutzt DiCaprio seine Bühne, auf die er sich bei der fünften
       Nominierungen hinlänglich vorbereiten konnte: „Klimawandel ist real“, sagt
       er vor allem in Richtung der vielen Klimaleugner in der Republikanischen
       Partei. Und die Macher von „Spotlight“ senden eine Botschaft an den
       Vatikan, mehr für die Missbrauchsopfer zu tun.
       
       Für einen emotionalen Moment sorgt Lady Gaga mit ihrem Song „Til It Happens
       to You“ aus dem Dokumentarfilm „The Hunting Ground“, der Vergewaltigungen
       an US-Universitäten thematisiert. Am Ende stehen Opfer sexueller Gewalt mit
       der Sängerin auf der Bühne – und das Publikum erhebt sich für sie, wie
       zuvor schon für Vizepräsident Joe Biden, der dafür wirbt, mehr gegen
       sexuelle Gewalt zu unternehmen. Der Preis für den besten Song geht dann
       leider an Sam Smiths uninspirierte James-Bond-Ballade „Writings on the
       Wall“.
       
       Der Routine setzt Chris Rock konsequent #OscarsSoWhite entgehen, er befragt
       Schwarze in einem Kino in L.A.s Stadtteil Compton und stellt nominierte
       Film wie „Der Marsianer“ mit schwarzen Darstellern nach. Sheryl Boone
       Isaacs, die erste schwarze Academy-Präsidentin liefert hingegen einen
       uninspirierten Auftritt, in dem sie Hollywood anhält, mehr zu tun und die
       versprochenen Reformen der Academy hervorhebt. Die zeigen sich bei dieser
       Verleihung allenfalls darin, möglichst viele Afroamerikaner als
       Preisverleiher auf der Bühne zu haben. Wenn schon keiner einen Oscar
       erhält.
       
       29 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
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