# taz.de -- Nabu-Broschüre für Vogelschutzglas: Trotz Unwirksamkeit empfohlen
       
       > Der Nabu empfiehlt UV-beschichtete Glasscheiben gegen Vogelschlag – trotz
       > Bedenken von Experten. Mit dem Hersteller besteht eine Kooperation.
       
 (IMG) Bild: So sieht‘s aus
       
       BERLIN taz | Das Problem ist gewaltig: Etwa 240.000 Vögel sterben in Europa
       jeden Tag, weil sie gegen Fensterscheiben fliegen. Doch scheinbar gibt es
       eine perfekte Lösung: Sogenanntes Vogelschutzglas, in das ein Material
       eingearbeitet ist, das UV-Licht reflektiert. Für Menschen ist diese
       Markierung unsichtbar, doch Vögel können sie erkennen und meiden die
       Scheiben. Das behauptet zumindest der Hersteller Arnoldglas. Als „das erste
       Glas gegen Vogelschlag“ [1][bewirbt] er sein patentiertes „Ornilux“-Glas.
       
       Und das Unternehmen hat einen Partner, der den Aussagen Glaubwürdigkeit
       verleiht: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der zuvor lange Deutscher
       Bund für Vogelschutz hieß, empfiehlt das UV-Glas ausdrücklich. „Mit Ornilux
       ist ein Glasprodukt am Markt verfügbar, das für bestimmte Situationen
       Tausende Vögel vor dem Tod an Glasflächen bewahren kann“, heißt es in der
       Nabu-Broschüre „[2][Glasflächen und Vogelschutz“]. „Die Wirksamkeit des
       Vogelschutzglases wurde vom Max-Planck-Institut für Ornithologie geprüft
       und bestätigt.“ Der Vogelschlag werde durch das Spezialglas „um bis zu 76
       Prozent“ reduziert, behauptet der Nabu in seiner Broschüre.
       
       Für praktisch alle anderen Vogelexperten ist die Wirksamkeit des
       UV-beschichteten Glases dagegen zweifelhaft oder bereits widerlegt. „Ich
       kann die Empfehlung für dieses Glas nicht nachvollziehen“, sagt etwa Heiko
       Haupt, der beim Bundesamt für Naturschutz arbeitet und die vorliegenden
       Tests zum sogenannten Vogelschutzglas [3][analysiert] hat. Er kritisiert
       vor allem, dass der Hersteller und der Nabu die Tests völlig falsch
       interpretiert haben.
       
       Denn dabei wird geprüft, auf welche von zwei Scheiben Vögel zufliegen.
       Wenn, wie im besten Fall, 76 Prozent auf die normale Scheibe zufliegen und
       24 Prozent auf die beschichtete, heißt das keineswegs, dass der Vogelschlag
       um 76 Prozent reduziert wird. Denn bei zwei völlig identischen Scheiben
       würde jede von 50 Prozent angeflogen – was nicht einer Wirksamkeit von 50
       Prozent, sondern von 0 entspricht.
       
       ## Tests vom Hersteller finanziert
       
       Doch auch ansonsten hält Haupt die Tests, die komplett vom Hersteller
       finanziert wurden, für nicht aussagekräftig. Denn selbst eine geringe
       Wirksamkeit war nur in dem Fall gegeben, dass die Vögel die Landschaft
       durch das Glas hindurch sehen, was etwa bei Lärmschutzwänden der Fall ist.
       Bei Hausfassaden, für die die angebotenen Fenster vorrangig gedacht sind,
       ist aber vor allem die Spiegelung der Landschaft ein Problem – und dafür
       gebe es keine belastbaren Tests, so Haupt.
       
       Der Umweltverband BUND schreibt denn auch auf seiner [4][Webseite]: „Die
       Anwendung von UV-reflektierenden Mustern ist nicht zu empfehlen.“ Das
       gleiche gilt übrigens für die weit verbreiteten Greifvogelsilhouetten.
       Sinnvoll seien allein sichtbare Markierungen wie Punkte oder Streifen.
       
       Auch die Schweizerische Vogelwarte Sempach, die UV-Glas anfangs noch
       empfohlen hat, ist mittlerweile auf Distanz gegangen. „Es hat sich gezeigt,
       dass es kaum gelingen wird, einen wirksamen UV-Schutz hinzubekommen“, sagte
       Fachbereichsleiter Hans Schmid der taz. Früher hatte die Vogelwarte
       gemeinsam mit dem Nabu eine Broschüre zu vogelfreundlichem Bauen
       herausgegeben. Doch weil der Verband nicht bereit war, auf die Empfehlung
       für das UV-Glas zu verzichten, geht man inzwischen getrennte Wege. „Wir
       haben den Nabu auf die Unwirksamkeit hingewiesen, sind damit aber nicht
       durchgedrungen“, sagt Schmid. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Nabu
       die UV-Scheiben wider besseres Wissen empfiehlt.“
       
       Eine Erklärung könnte sein, dass der Verband eine offizielle
       Lizenzvereinbarung mit dem Hersteller hat. Nach Nabu-Angaben zahlt
       Arnoldglas „einen unteren vierstelligen Betrag pro Jahr“ und darf dafür das
       Nabu-Logo verwenden.
       
       ## Ups, ein Fehler
       
       Inhaltlicher Einfluss werde aber nicht ausgeübt, sagt der
       Vogelschutzreferent des Nabu, Lars Lachmann. „Unsere bestehende Kooperation
       mit Arnoldglas beeinflusst uns in keiner Weise bei unserer Meinungsbildung
       und -darstellung zu diesem Thema.“ Dem Nabu sei bewusst, dass es deutlich
       bessere Möglichkeiten zur Verhinderung von Vogelschlag gebe als
       UV-beschichtetes Glas, sagt Lachmann. Der Verband finde die Bemühungen der
       Firma bei der Entwicklung vogelfreundlicher Glasarten dennoch
       unterstützenswert.
       
       Dass der Nabu mit einer falschen Erfolgsrate für das Produkt wirbt, räumt
       Lachmann allerdings ein. „Hier liegt in der Tat ein Fehler vor.“ Nach der
       Anfrage der taz hat der Nabu die Broschüre darum aus seinem Online-Shop
       entfernt. Mehrere Landesverbände bieten sie allerdings weiterhin an, und
       auch online ist sie nach wie vor zu finden.
       
       30 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.arnold-glas.de/files/arnoldglasorniluxbroschueredownload.pdf
 (DIR) [2] https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/vogelschutz/brosch__re_glasfl__chen_und_vogelschutz_ausgabe_2011.pdf
 (DIR) [3] http://www.vogelglas.info/public/Haupt_2011_BzV143-160.pdf
 (DIR) [4] http://www.vogelsicherheit-an-glas.de/vogelschlag_an_glas/loesungsmoeglichkeiten/das_hilft_nicht/uv_sehen_bei_voegeln/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
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