# taz.de -- Bitte um AKW-Abschaltung in Belgien: Störfall zwischen Nachbarn
       
       > Umweltministerin Hendricks fordert, die Pannenmeiler Tihange und Doel vom
       > Netz zu nehmen. Brüssel lehnt die Forderung ab.
       
 (IMG) Bild: Über die AKW Tihange bei Lüttich (hier im Bild) und Doel 3 bei Antwerpen gibt es schon seit 2012 Debatten
       
       BERLIN taz | Die umstrittenen belgischen Atomkraftwerke in Thihange und
       Doel haben zu einem diplomatischen Störfall zwischen der deutschen und der
       belgischen Regierung geführt. Kurz vor dem 30. Jahrestag der
       Atomkatastrophe von Tschernobyl hat Bundesumweltministerin Barbara
       Hendricks (SPD) die belgische Regierung am Beginn der Woche dringend
       gebeten, die beiden betroffenen Reaktoren „bis zur Klärung offener
       Sicherheitsfragen“ vom Netz zu nehmen. Die belgische Seite zeigte sich
       „überrascht“ und will die Anlagen weiterlaufen lassen.
       
       Der deutsche Vorstoß ist ungewöhnlich – weder bei den grenznahen
       Atomkraftwerken in Frankreich und Tschechien hat es eine solche offizielle
       Forderung je gegeben. Hendricks beruft sich für ihre Bitte auf einen
       Bericht der deutschen „Reaktorsicherheitskommission“ (RSK). Demnach ist
       zwar der Normalbetrieb der AKWs kein Problem. Unsicher bleibe aber, wie
       sicher die Anlagen bei einem möglichen Störfall wären. „Es ist für die RSK
       nicht nachvollziehbar, dass die für die Störfallbelastung geforderten und
       in den Nachweisen ausgewiesenen Sicherheitsabstände tatsächlich erreicht
       werden“, schreiben die Experten.
       
       Über die Blöcke Tihange 2 bei Lüttich und Doel 3 bei Antwerpen gibt es
       schon seit 2012 Debatten. Damals waren sie stillgelegt worden, nachdem in
       ihren Reaktordruckbehältern, also dem Kern der Anlage mit den radioaktiven
       Brennstäben, Tausende von feinen Rissen festgestellt worden waren. Sie
       gingen wieder ans Netz, wurden wieder abgeschaltet und sind seit Ende 2015
       wieder in Betrieb. Die deutsche RSK habe mit der belgischen Atomaufsicht
       immer wieder Sicherheitsfragen erörtert, hieß es im Umweltministerium. Mit
       dem Ergebnis, dass „weitere Nachweise sowohl experimenteller als auch
       analytischer Art“ nötig seien.
       
       Es gebe zwar keinen Hinweis darauf, dass die Reaktoren unsicher seien –
       aber es könne eben auch nicht ihre Sicherheit bestätigt werden. Bei den
       Berechnungsmodellen seien „Fragen offen geblieben“, es werde
       „möglicherweise die Tragfähigkeit des Reaktordruckbehälters überschätzt“.
       
       ## Hendricks fordert „starkes Zeichen der Vorsorge“
       
       Für Hendricks wäre die Abschaltung der fraglichen AKW-Blöcke „ein starkes
       Zeichen der Vorsorge“, erklärte sie. „Es würde zeigen, dass Belgien die
       Sorgen seiner deutschen Nachbarn ernst nimmt.“ Zustimmung bekam sie von den
       Grünen und Greenpeace sowie von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen.
       Immerhin liegt Aachen nur etwa 70 Kilometer von Tihange entfernt.
       
       Die AKWs in Tihange und Doel mit ihren insgesamt sieben Blöcken erzeugen
       etwa 55 Prozent des belgischen Stroms. Der Chef der belgischen
       Atomaufsichtsbehörde AFCN, Jan Bens, wies das deutsche Ansinnen zurück.
       Seine Behörde bleibe „überzeugt, dass Doel 3 und Tihange 2 internationale
       Sicherheitsstandards einhalten“, erklärte er gegenüber der
       Nachrichtenagentur Belga.
       
       Es sei deshalb nicht nötig, die Blöcke abzuschalten. „Die AFCN ist immer
       bereit, mit ihren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten“, meinte Bens – und
       ergänzt: „Vorausgesetzt, dass es auf deutscher Seite den Willen gibt, in
       einer konstruktiven Weise zu kooperieren.“
       
       20 Apr 2016
       
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