# taz.de -- Künstler in Kroatien: Einsame Antifaschisten
       
       > Eine landesweite Lesung will ein Zeichen gegen den Rechtsruck der
       > Regierung setzen. In Split stößt die Aktion jedoch nur auf wenig
       > Resonanz.
       
 (IMG) Bild: Gedenkmarsch am ehemaligen Konzentrationslager Jasenovac
       
       SPLIT taz | Angesichts des Rechtsrucks der neuen kroatischen Regierung, für
       den vor allem der Kulturminister Zlatko Hasanbegovic steht, wollte am
       Freitagabend eine Gruppe von Vertretern der Kulturszene mit einer „langen
       Buchnacht“ in mehr als einem Dutzend Städten ein Zeichen gegen den
       Faschismus setzen. Dafür sollten Texte aus den Essays von Umberto Ecco über
       den „ewigen Faschismus“ gelesen werden.
       
       So auch auf dem zentralen Platz von Split, Narodni Trg. Inmitten der
       touristisch attraktiven Szenerie des Diokletian-Palastes versuchten zwei
       Frauen Gehör bei den vorbeiflanierenden Menschen zu finden.
       
       Doch niemand nahm von den Lesenden Notiz. Eine Gruppe südkoreanischer
       Touristen warf zwar neugierige Blicke auf die Frauen, die Einheimischen
       jedoch ignorierten die beiden. Nur einer blieb stehen, wandte sich aber
       bald ab. Dies sei doch alles serbische Propaganda.
       
       Nur 100 Meter weiter versuchten sieben andere Künstler, Schriftsteller und
       Journalisten die gleichen Texte unter die Leute zu bringen. Immerhin
       blieben hier einige Dutzend Menschen bis zum Ende der einstündigen Lesung.
       Doch die meisten waren Bekannte der Lesenden. In Zagreb oder dem istrischen
       Pula hätten wohl mehr Leute an der Aktion teilgenommen haben. „Doch Split“,
       so eine der Frauen vom Nardoni Trg, „hat seine Seele verloren.“
       
       Keine Kenntnis der eigenen Geschichte
       
       Predrag Lucić, Mitbegründer der einst legendären satirischen Zeitschrift
       Feral Tribune, der am Peristil mitlas, kennt das in Split gewandelte
       Bewusstsein nur zu gut. „Die Leute kennen die eigene Geschichte nicht mehr.
       Dalmatien war im Zweiten Weltkrieg Partisanenland und ein Zentrum des
       Aufstandes gegen die deutschen und italienischen Besatzer sowie gegen die
       rechtsradikale Ustascha-Diktatur in Kroatien, die zuließ, dass Teile
       Dalmatiens und Istriens von Italien annektiert wurden.“
       
       Doch das war einmal. Noch vor dem letzten Krieg 1991–95 war Split geprägt
       von kritischen Intellektuellen und Musikern. Doch dann kamen konservative
       Landbewohner in die Stadt, während das traditionelle linke Bürgertum an
       Boden verlor.
       
       Die katholische Kirche in der Region habe geholfen, ein
       „klerikal-faschistisches“ Umfeld zu schaffen, sagen die Initiatoren. „In
       Split“, so die Frau vom Narodni Trg, „erleben wir den Niedergang des
       traditionellen linken Bewusstseins. Die intellektuelle Linke hat zur Zeit
       einen schweren Stand.“
       
       24 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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