# taz.de -- Ansprache von Wladimir Putin: Der Präsident und seine Bauchredner
       
       > Wladimir Putin sprach wohlinszeniert dreieinhalb Stunden lang mit seinem
       > Volk. Es ging um die wirtschaftliche Krise und die USA.
       
 (IMG) Bild: Bitte schön, gern geschehen: Wladimir Putin nach seiner Ansprache
       
       MOSKAU taz | Die „Direkte Leitung“ zum Präsidenten hatte für Dmitri
       Tjurischew erst nach einem Jahr spürbare Konsequenzen. 2015 nahm der
       Bauarbeiter an dem jährlich stattfindenden mehrstündigen „Gedankenaustausch
       zwischen Volk und Führung“ teil. Er beschwerte sich, dass er und seine
       Kollegen auf der Baustelle des Weltraumbahnhofs im sibirischen
       „Wostotschnij“ monatelang keinen Lohn erhalten hätten.
       
       Der Präsident versprach, der Sache persönlich nachzugehen. Als im März
       immer noch nichts geschehen war, kündigte Tjurischew öffentlichen Protest
       an. Der war für Donnerstag geplant. Stattdessen wurde der Bauarbeiter am
       Vorabend in Ussurisk in Gewahrsam genommen. Die Anklage lautet: unflätiges
       Verhalten im öffentlichen Raum. Der Dialog misslang.
       
       Am Donnerstag sprach der Kremlchef wieder dreieinhalb Stunden mit dem Volk.
       Die Themen reichten von Syrien bis zu den gestiegenen Arzneimittelpreisen.
       Wladimir Putin war bester Laune, sah erholt aus und schien an den
       Panama-Papers nicht zu leiden.
       
       Dem Publikum vermittelte er denn auch den Eindruck, dass die
       wirtschaftliche Krise zwar noch anhalten dürfte. Doch sei das Maß mit einem
       Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes von 0,3 Prozent noch erträglich. Der
       Kremlchef weigert sich, von einer systemischen Krise zu sprechen.
       
       Wie immer war der Doktor der Wirtschaftswissenschaften bestens präpariert
       und bestach mit immensem Detailwissen. Das sich im Nachhinein nicht selten
       als aus den Fingern gesogen herausstellte. Ein Faktencheck findet offiziell
       nicht statt. Auch gegenüber dem Westen und der Ukraine wiederholte der
       Präsident nur bekannte Positionen. Dafür wartete er diesmal aber auch nicht
       mit Verschreckendem auf.
       
       ## Vorsichtig gegenüber den USA
       
       Gegenüber den USA gab er sich gemäßigt. Die Regierung in Washington müsse
       sich von ihren Großmachtambitionen verabschieden und Moskau als
       gleichwertigen Partner akzeptieren. Das sei bei Themen wie dem Kampf gegen
       den Terrorismus, dem iranischen Atomprogramm und der Abrüstung trotz aller
       Differenzen auch gelungen. Wenn die USA Respekt zeigen, „werden wir immer
       in der Lage sein, Lösungen zu finden, die jeden zufriedenstellen“, sagte
       Putin.
       
       Bei den Panama Papers, die der Kreml ansprechen ließ, schrieb Putin den USA
       gleichwohl wieder die Rolle des Hinterlistigen zu: „Wir wissen, dass
       Mitarbeiter der amerikanischen Institutionen damit zu tun haben.“
       
       Fragen an Putin zielten vor allem auf die Auswirkungen der wirtschaftlichen
       Krise im Innern. Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen und ausbleibende
       Lohnzahlungen nahmen sehr viel Zeit ein. Nun darf man sich dies aber nicht
       wie einen offenen Schlagabtausch vorstellen.
       
       ## Vorbereitete Fragen
       
       Die Zeitung RBK berichtete, dass die handverlesenen Fragesteller zwei Tage
       in einem Erholungsheim der Präsidialadministration am Rande Moskaus auf
       Fragen und Verhalten vorbereitet wurden. Sie durften auch vor der
       Veranstaltung nicht nach Moskau aufbrechen. Vor allem aber war ihnen, so
       RBK, aufgetragen worden, mit niemandem „auch nicht mit Verwandten über die
       Vorbereitungen zu sprechen“.
       
       Laut Kreml hatte die Bevölkerung im Vorfeld die meisten Fragen zum Zustand
       der Straßen und der kommunalen Versorgung der Wohnungswirtschaft gestellt.
       Rubelverfall und Krise hätte die Menschen weniger interessiert, hieß es.
       Dem folgte auch die Inszenierung der Putin-Show. Die Erhebung des Lewada
       Meinungsforschungsinstituts diese Woche stellte unterdessen fest, dass
       Krise, Rubel, Ölpreis und wie der Kreml gedenke, der Malaise zu entkommen,
       den Fragestellern am meisten unter den Nägeln brannte.
       
       Doch dazu gab es vom Kreml keine sachdienlichen Hinweise. Die Strategie war
       offenkundig: Probleme wurden auf die unteren Ebenen der Verwaltungen
       abgewälzt. Kaum war die Veranstaltung zuende, machte diese Nachricht die
       Runde: Die Mediaholding RBK soll zum Verkauf gezwungen werden.
       
       14 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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