# taz.de -- Fragen und Antworten zum Milchpreis: Der Rinderwahnsinn
       
       > Zum Teil bekommen die Bauern nur noch 18 Cent für ein Kilogramm Milch.
       > Das reicht nicht mal für das Futter der Kühe.
       
 (IMG) Bild: Verbraucher, die eine faire Entlohnung für Erzeuger wollen, kaufen Biomilch
       
       Warum ist die Milch so billig? Die Antwort fällt unterschiedlich aus – je
       nachdem, wen man fragt. „Weil der Lebensmitteleinzelhandel die Preise
       diktieren kann“, sagt Milchbauer Sebastian Glaser aus Hessen. Schließlich
       stellten die Landwirte ein schnell verderbliches Gut her, in
       Verkaufsverhandlungen seien sie erpressbar. Der Handelsverband Lebensmittel
       (BVLH) verteidigt sich: „Es ist zu viel Milch am Markt. Die deutsche
       Milchwirtschaft ist viel stärker vom Weltmarkt abhängig als vor zehn
       Jahren. Geht die Nachfrage dort zurück, kann der stagnierende Inlandskonsum
       den Überschuss nicht auffangen“, so BVLH-Hauptgeschäftsführer Franz-Martin
       Rausch.
       
       Wer profitiert von den niedrigen Preisen? Vor allem der Handel. Laut
       Statistischem Bundesamt sind Milch, Quark oder Käse im Laufe des Frühjahrs
       durchschnittlich nicht billiger geworden, der Preis stagniert. Supermärkte
       und Discounter haben also ihre Gewinnmargen erhöht. Nur für die Butter
       zahlt auch der Verbraucher weniger.
       
       Wer leidet? Besonders die Bauern, die sich auf Milch spezialisiert haben.
       Es ist ein Teufelskreis: Die Preiskrise führt zum Höfesterben, es bilden
       sich immer größere Betriebe, die sich spezialisieren. Reine Milchhöfe mit
       Hunderten Kühen aber trifft es besonders, wenn, wie derzeit, teils nur noch
       18 Cent pro Kilogramm Milch gezahlt werden. Diese Preise decken nicht
       einmal mehr die Futterkosten für die Tiere, geschweige denn Investitionen
       in Gebäude.
       
       Was hat die Krise mit Russland zu tun? Russland war noch vor wenigen Jahren
       ein wichtiger Absatzmarkt für europäische Milchprodukte. Durch die
       EU-Sanktionen im Ukrainekonflikt und das russische Importembargo sind dort
       wichtige Abnehmer verloren gegangen.
       
       Geht es den Biobauern besser? Ja, deutlich. Hier werden immer noch um die
       50 Cent pro Kilogramm Milch gezahlt, sagt Friedhelm von Mering vom Bund
       Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Anders als auf dem Markt für
       konventionelle Milch gibt es bei Bio kein Überangebot, im Gegenteil. Um die
       Nachfrage in Deutschland zu decken, sind sogar Importe nötig, etwa aus
       Dänemark oder Österreich. Zwar hat Aldi den Preis für Biomilch leicht
       gesenkt – dabei aber bislang keine Nachfolger gefunden. Verbraucher, die
       eine faire Entlohnung für Erzeuger wollen, kaufen also Biomilch.
       
       Ist mehr Export die Lösung? Nur bedingt. Die EU fördert zwar bereits den
       Export. Doch die USA, die Türkei und andere Länder tun dies auch.
       „Agrarprodukte um den Globus zu schippern kann nicht die Lösung sein“, sagt
       der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling. Die Orientierung auf den
       Weltmarkt fördere die Produktion von Massenware und schade der Entwicklung
       einheimischer Märkte mit existenzsicherndem Einkommen in Drittländern.
       
       Was kann die EU tun? Nicht viel. Zwar könnte sie theoretisch die Milchquote
       wieder einführen oder den Markt anderweitig regulieren, um die Menge zu
       verringern. Doch marktliberale Länder wie Deutschland sind strikt dagegen.
       Deshalb bleibt kaum mehr als Finanzspritzen für die Bauern. Im September
       2015 einigten sich die EU-Agrarminister bereits auf ein Notprogramm in Höhe
       von 500 Millionen Euro. Im März hat die EU zudem den Weg für freiwillige,
       zeitlich begrenzte Mengenreduzierungen in den EU-Staaten für Milchprodukte
       freigemacht. Produzenten können sich nun absprechen, ohne kartellrechtlich
       in Schwierigkeiten zu geraten. Dieses Mittel werde aber nur unzureichend
       eingesetzt, kritisiert der European Milk Board (EMB). „Die jetzigen
       Maßnahmen der EU-Politik sind eher Ablenkung als Lösung“, kritisiert
       EMB-Präsident Romuald Schaber. Nötig sei ein freiwilliger Lieferverzicht
       nach Vorbild des Marktverantwortungsprogramms. Dieses sieht vor, dass in
       Krisenzeiten die Erzeuger ihre Produktion senken müssen. Dafür werden sie
       dann entschädigt.
       
       Was plant der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)?
       Erst mal einen Gipfel. Ende Mai wird in Berlin über Auswege aus der Krise
       beraten, auch über Finanzspritzen oder Bürgschaften für notleidende
       Betriebe in einem Rahmen „von 100 Millionen + x“. „In dieser schwierigen
       Situation müssen alle Kräfte in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten,
       um eine leistungsstarke deutsche Milchwirtschaft zu erhalten.“ Das sagte
       Schmidt? Nein, es war Ilse Aigner (CSU) nach einem Milchgipfel 2008. Damals
       war sie die Landwirtschaftsministerin. Im Jahr darauf kippten die Bauern
       ihre Milch auf ihre Äcker, so niedrig waren die Preise. Der Bundesverband
       Deutscher Milchviehhalter (BDM) will Agrarminister Schmidt bis zum Gipfel
       übrigens nicht mehr aus den Augen lassen: Landwirte haben sich vor seinem
       Wahlkreisbüro im bayerischen Neustadt/Aich postiert – samt Kuh.
       
       17 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
 (DIR) Eric Bonse
       
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