# taz.de -- Die Wahrheit: Das erste Orakel
       
       > Schon immer hat die Menschheit versucht, die Ergebnisse von
       > Fußballspielen mithilfe hellsichtiger Tiere vorherzusagen.
       
 (IMG) Bild: Die scheuen Spa-Gäste versammeln sich gern in der Koi-Ta
       
       Früher ging es beim Fußball nicht immer nur ums Geld. Unsere Vorfahren
       wussten noch, dass man mit Sport nur alle zwei Jahre so richtig Kohle
       scheffeln kann, wenn sogar die Frauen zugucken. Und da die Menschheit schon
       immer aus Jägern, Sammlern und Marketingexperten bestand, machten sich
       Letztere schon früh Gedanken, wie man bei internationalen Turnieren die
       Leichtgläubigen ausnehmen könnte.
       
       Weil die Erfindung der Religionen und der Laktoseintoleranz wegen des
       stressigen Alltags verschoben worden war, glaubten die Leute vollkommen
       wahllos jeden Humbug. Zum Beispiel, dass Tiere Instinkte hätten. Oder
       zumindest Fußballverstand. Daher wurden verschiedenste Viecher von
       Archeopteryx bis Quastenflosser zu Orakeln auserkoren, damit sie die
       Ergebnisse bis zum Finale voraussagten.
       
       Dem Mammutkalb Tröterich etwa wurde anlässlich des ersten Urkontinenten-Cup
       vor rund drei Millionen Jahren beigebracht, sich an unterschiedlichen
       Höhleneingängen zu schubbern, um anzuzeigen, ob Pangea oder Gondwana den
       Pott nach Hause holen würde.
       
       Leider waren die Tiertrainer damals noch nicht auf dem Stand von heute,
       weil die Domestizierung noch nicht erfunden war, so dass sie Tröterich mit
       viel zu langer Schleppleine über die Spielwiese stromern ließen. Dabei
       wächst so ein männliches Mammut im Jahr gute drei Meter in die Höhe und in
       die Breite, außerdem pubertieren die wolligen Riesen viel doller als
       beispielsweise Fruchtfliegen. Tröterich ließ keinen Stein auf dem anderen
       und stampfte die Spieler beider Mannschaften in den Erdboden. Und da schon
       die Urmenschen, wann immer sie überdeutlich auf ein Versagen hingewiesen
       wurden, anfingen, mit Erfolgen auf anderen Gebieten zu prahlen, machten sie
       erst einmal Feuer. Viele Feuer, große Feuer, überall.
       
       Der tobende Tröterich verendete kläglich trompetend in den Flammen, und die
       Horde beschloss, die Beweise für das Debakel zu vernichten, indem sie den
       mittlerweile knusprigen Mammutbullen verspeiste. Zwar hatte man so
       versehentlich die ersten Hooligans erschaffen, aber zeitgleich das Grillen
       entdeckt. Insgesamt konnte man den Tag also als Erfolg bezeichnen. Nur das
       Fußballspielen wurde bis auf weiteres aus Sicherheitsgründen eingestellt.
       
       Die Marketingexperten schlichen heimlich davon und beschlossen erst viele
       Jahrhunderte später, das Kicken wieder zum Sport Nummer eins zu erklären.
       Dieses Mal in Südamerika, wo es Kautschuk gab und nicht nur spitze Steine.
       Durch die runden Bälle gewann das Spiel deutlich an Fahrt, trotzdem dauerte
       es ein paar Epochen, bis man wieder ein geordnetes Korruptionssystem
       aufgestellt hatte, mit dem man die Menschheit davon ablenken konnte, dass
       überall auf der Welt Feuer brannten. Auch die weissagenden Tiere kamen und
       verendeten, aber keines von ihnen hat sich je wieder als so spielbestimmend
       erwiesen wie Tröterich. Deswegen erinnert noch heute der liebliche Klang
       der Vuvuzela an jenes allererste Orakel der Menschheit.
       
       21 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katinka Buddenkotte
       
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