# taz.de -- Sportmagazin ohne Fußball: Immer wieder Boris
       
       > Gruner + Jahr bringt mit „No Sports“ ein Sportmagazin für alles außer
       > Fußball raus. Gemacht wird es von der „11 Freunde“-Redaktion – das sieht
       > man.
       
 (IMG) Bild: No Sport: Boris Becker ist „der größte deutsche Sportler des 20. Jahrhunderts“
       
       Als Gruner + Jahr 1987 das Magazin Sports auf den Markt brachte, konnte man
       von einer journalistischen Innovation sprechen. Das Blatt bot, zumindest in
       den ersten Jahren, anspruchsvollen Sportjournalismus, und der war damals
       noch rar. Im bekanntesten Interview, das in Sports erschien, erzählte Boris
       Becker, ihm seien die Hausbesetzer der Hamburger Hafenstraße „sympathischer
       als manche Menschen in meiner Umgebung“. Die Bild-Zeitung war not amused.
       Das war 1989.
       
       Becker ist nun auch die Titelfigur der ersten Ausgabe einer neuen
       G+J-Zeitschrift: No Sports, entwickelt von Philipp Köster und Tim Jürgens
       aus der Chefredaktion des Fußballmagazins 11 Freunde, an dem Gruner + Jahr
       zu 51 Prozent beteiligt ist.
       
       Die beiden Journalisten haben ein Allgemeinsportmagazin konzipiert, das in
       modernisierter Form Ideen des 1999 eingestellten Sports aufgreift. Dass das
       neue Magazin, das in diesem Jahr zweimal und ab 2017 sechsmal erscheinen
       wird, No Sports heißt, sollte man nicht überbewerten. Schließlich gibt es
       seit einigen Jahren einen Blog, der dem Sport und dem Sportfernsehen
       gewidmet ist und „Alles außer Sport“ heißt.
       
       In der Titelgeschichte von No Sports erfährt man, dass der einstige
       Hafenstraßen-Sympathisant Boris Becker immer noch zumindest nicht ungern
       aneckt. „Wie ein Junge, der mit dem Chemiebaukasten experimentiert, schaut
       er gleichzeitig verdutzt und mit einem Hauch diebischer Freude, wenn es um
       ihn herum zischt und rumst“, schreibt Autor Tim Jürgens. Weil Becker
       aufgrund von eben jenen Geschehnissen jenseits der Tenniswelt „zum
       deutschen Antihelden“ geworden sei und die hiesige Öffentlichkeit seine
       Erfolge als Trainer des Weltranglistenersten Novak Djokovic nur
       unzureichend wahrnimmt, will No Sports gegensteuern. Becker sei schließlich
       „der größte deutsche Sportler des 20. Jahrhunderts“.
       
       Für Stammleser der 11 Freunde dürfte bei No Sports der optische
       Wiedererkennungseffekt hoch sein. Kein Wunder, Art Director Lukas Nienhaus
       stammt wie die beiden Chefredakteure aus dem Team des Fußballmagazins. Auch
       die inhaltliche Mischung ist ähnlich: Artikel mit potenziell großer
       Reichweite – neben dem Becker-Porträt etwa welche über Bernhard Langer und
       die deutsche Handballnationalmannschaft – stehen neben Beiträgen über
       Randständiges und zumindest für deutsche Verhältnisse Exotisches (wie zum
       Beispiel College-Wrestling und Cricket).
       
       Man findet im neuen Magazin aber auch Formulierungen, über die sich Autoren
       des Mutterhefts lustig gemacht hätten, wenn ein Fußballjournalist sich
       Ähnliches hätte einfallen lassen: „Am Stadtkurs von Monaco flirtet seit 60
       Jahren der internationale Jetset mit der Geschwindigkeit“, heißt es etwa im
       Vorspann über die Formel-1-Rennstrecke von Monte Carlo. Vielleicht brauchen
       Freunde des höllischen Brummbrumms eine andere Ansprache als Kurvensteher.
       
       Ein Schwachpunkt ist der in der Rubrik „Meinung“ platzierte Beitrag des
       Dopingexperten Wilhelm Schänzer. „In Rio wird gedopt werden!“, lautet die
       Überschrift, und entsprechend überraschungsarm – und zudem so, als sei er
       auf geradezu mechanische Weise aus bewährten Textbausteinen zusammengesetzt
       worden – liest sich der Artikel. Für ein Debütheft wäre eher ein
       Debattenbeitrag angemessen gewesen, der ein bisschen rockt.
       
       Das sind aber Kleinigkeiten, insgesamt ist das Konzept stimmig. Dass eine
       Zeitschrift wie No Sports gefehlt hat, zeigt etwa eine opulente Fotostrecke
       über das US-College-Football-Team LSU Tigers aus Baton Rouge, Louisiana,
       seine Fans und vor allem die 325 Mitglieder starke Marching Band, die die
       Mannschaft begleitet. Wer sonst druckt so etwas?
       
       Von ähnlicher Qualität ist Uli Hesses Reportage über Darts, das „im Kern so
       banale Spiel“, das sich „als Fernsehevent neu erfunden hat“. Beim Lesen
       spürt man geradezu den Lärm, den das Publikum während der Wettkämpfe
       veranstaltet. Einen atmosphärisch derart starken Text hat man über die
       „vielleicht größte Erfolgsgeschichte der Sportwelt der Gegenwart“ bisher
       noch nicht gelesen.
       
       Transparenzhinweis: Auch taz-Medienredakteur Jürn Kruse hat für die Ausgabe
       geschrieben.
       
       30 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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