# taz.de -- Hass auf Julia Jefimowa bei Olympia: Moralischer Volkssturm > Die russische Schwimmerin wurde, obwohl sie nicht gewonnen hatte, > ausgebuht, geschnitten, missachtet: Was für eine Heuchelei! (IMG) Bild: Sieht sich maßloser Ablehnung ausgesetzt: Julia Jefimowa Gäbe es so etwas wie Atmosphärenpornografie, müsste man diese TV-Bilder heranziehen: Das Publikum durfte sich am Straucheln einer Athletin laben. Eine Show, die Julia Jefimowa als Star hatte. Gefeiert wurde, und das macht die Chose, das Nichtgold dieser Schwimmerin. Mehr noch: Die ARD-Stimmen Alexander Bleick und Tom Bartels sowie die „Expert*innen“ Ralf Scholt und Franziska van Almsick jubelten über den Sieg der US-Amerikanerin Lilly King über 100 Meter Brust, als hätte diese gerade einen Angriff einer global-moralischen Verderbtheit abgewehrt. Jefimowa war die Hexe des Abends, eine uneinsichtige Sünderin, eine Sündenböckin, die sich der Reha (Abstinenz von den Spielen) verweigerte. Eine Gefallene, die Böse überhaupt. Die Reaktionen der deutschen TV-Medien auf sie waren widerlich: Denn man tritt nicht auf schon am Boden Liegende. Überhaupt: Woher wissen all die Kommentatoren, dass die Konkurrenz der Russin nur mit legalen Hilfen zu sportlichen Meriten kommen wollen? Zur Erläuterung: Jefimowa ist eine vorzügliche Brustschwimmerin. Die Russin hat viel gewonnen, und sie hat dies unter Einfluss von Dopingmitteln geschafft. Bei der WM in Kasan sagte sie kurz nach Ende einer Sperre wegen der Einnahme sportillegaler Substanzen in aufreizender Art, gefragt zu Doping: „Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wissen Sie, wenn sie einen Führerschein haben, fahren sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen sie ein Ticket.“ Sie gewann bei der WM dann den Titel über 100 Meter. Eigentlich hätte sie in Rio de Janeiro nicht starten sollen, aber sie erstritt sich den Weg in den Medaillenkampf über den internationalen Sportgerichtshof CAS. Dann trat sie zu den Vorläufen an und zum Halbfinale – und schritt nach ihrer Finalqualifikation auf die Cindy-Crawford-hafteste Art, lächelnd und unnahbar, an Journalisten und Fotografen vorbei. Sie schien sich um die offen geäußerte Aversion ihrer sportlichen Gegnerinnen nicht zu kümmern, ganz die Haltung von „Leck mich …“. Klar war: So eine ist entweder naiv, eine, die nichts vom Hass auf Hochmütige weiß, der diese zu Fall bringen will. Oder steht unter realitätsabweisenden Mitteln gleich welcher Art. ## Schönheit muss rein sein Selbstverständlich: Sie war unerträglich, und zwar auf eine Weise, die das gemeine Volk nie verzeiht und insofern stets hofft, dass sie fällt. Jefimowa, das war die Rosa Klebb aus dem James-Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“, besser aussehend als Lotte Lenya in dem Kalte-Kriegs-Streifen. Schönheit, wie die dieser Sportlerin, muss rein sein: Sonst muss sie in die Gosse getreten werden. Jefimowa jedenfalls gewann nicht, und sie weinte hinterher vermutlich nicht über das entgangene Gold, sondern über das moralische Mobbing gegen eine, die man vielleicht nicht mögen muss, die aber doch nicht mehr beschritt als den in der Sportsphäre gültigen Rechtsweg: Und das soll verwerflich sein? Julia Jefimowa hat eine Art der Kritik auf sich gezogen, die an einen moralischen Volkssturm erinnerte – nicht, weil man ihre Dopingvergangenheit erwähnte. Sondern weil man sich im empörungssatten Tremolo über sie erhob als sei man ein ethisches Weltgericht. Wehe demjenigen, der dieser Meute mal ausgesetzt ist. Jefimowa hatte schon vor ihrer Silbermedaille keine Chance mehr auf internationale Werbeverträge. Sie ist nur eine Sünderin, die ihren Sündenfall nicht in Staub und Asche untertänigst zelebriert. Das Publikum will – ihre Nichtigkeit. 9 Aug 2016 ## AUTOREN (DIR) Jan Feddersen ## TAGS (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwimmen (DIR) Doping (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Kolumne Riologie: Voll auf Kohlpalme Açaí soll tierisch gesund sein, wegen der vielen Antioxidantien. Oprah Winfrey ernährt sich nur noch davon. Und Rio ist nicht Prenzlauer Berg. (DIR) Deutschland und Neuseeland siegen: Konkurrenzlos besessene Ruderer Die Neuseeländer Eric Murray und Hamish Bond holen im Zweier wieder Gold. Seit 2009 sind sie ungeschlagen. Den Doppelvierer beherrschen Deutsche. (DIR) Doping im Gewichtheben: Ein Heben und Nehmen Der Sport ist verseucht und hat eine der höchsten Dopingraten. Das Kontrollsystem der dominanten Nationen funktioniert nicht. (DIR) Olympianacht in Rio: Geboxt wird außerhalb des Rings Beim Turmspringen verfärbt sich das Wasser grün. Ovtcharov scheitert an der „Gummiwand aus Minsk“ und Phelps regeneriert blendend. (DIR) Deutsche Reiter holen erste Medaillen: Berg- und Talfahrt mit Happy End Am vierten Tag der Wettkämpfe landete das deutsche Reiterteam um Michael Jung auf dem zweiten Platz. Später holte Jung im Einzel noch Gold dazu. (DIR) Olympiasiegerin aus Brasilien: Aus der Hölle aufs Podest Die Judoka Rafaela Silva holt die erste Goldmedaille für Brasilien. Sie ist unterprivilegiert, schwarz, eine Frau und – der Stolz einer Nation. (DIR) Olympianacht in Rio: Happy End für Rocky IV Den Kalten Krieg im Schwimmbecken gewinnen die USA. Die erste brasilianische Goldmedaille kommt aus der Favela und Usain Bolt kommt auch noch. (DIR) Olympia im ungarischen Fernsehen: Gold und ein fehlender Name Ungarn jubelt über Gold für eine Schwimmerin. Und streitet über einen Kommentator, der den Namen einer syrischen Olympionikin nicht erwähnte. (DIR) Frauen-Rugby bei Olympia 2016: Kontaktsport mit Flow Zum ersten Mal seit 1924 ist Rugby wieder olympisch. Am Montag kämpfen die Frauen um Gold. Ein Besuch bei den weiblichen Spitzenteams. (DIR) Olympianacht in Rio: Männergekreisch am Beckenrand Michael Phelps pflügt die USA auf 4 x 100 Meter zur Goldmedaille – und der Kosovo hat seine erste Medaillenträgerin. (DIR) Olympia-Start in der Kritik: Öde, diese deutsche Mäkelei Die Spiele in Rio ein Elendsspektakel? Alles nur Schein, Lug und Trug? Das sagen viele in unseren Kreisen. Leider. Es gäbe nämlich was zu entdecken.