# taz.de -- Sparen in der Pflege: Die Alten sind zu teuer
       
       > Die Diakonie will ihren Beschäftigten deutlich weniger Geld zahlen – und
       > verweist auf den Wettbewerb. Laut Gewerkschaft ein „Riesen-Skandal“
       
 (IMG) Bild: Asche spenden Kirchen eher in Kreuzform – auch damit halten sich Protestanten zurück
       
       BREMEN taz | Die 4.000 MitarbeiterInnen der Bremer Diakonie fürchten eine
       „drastische Verschlechterung“ ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen. In der
       Altenpflege könnten die Einkommen um bis zu 20 Prozent sinken – sollten
       sich die Arbeitgeber in den gegenwärtig laufenden Tarifverhandlungen
       durchsetzen. Davor warnen die Mitarbeitervertretungen der Diakonie in einem
       offenen Brief, der dieser Tage die Runde macht.
       
       „Wir müssen uns den Marktbedingungen anpassen“, sagt dagegen Michael
       Schmidt, Vorstand der Stiftung Friedehorst. Er will seine Angebote
       „wettbewerbsfähig erhalten“ und fordert deshalb „mittelfristig strukturelle
       Entlastungen“ für die Diakonie. Den schwarzen Peter gibt er weiter an
       private Pflegedienste – und die Allgemeinheit: „Der Gesellschaft ist die
       Altenpflege nicht mehr wert.“
       
       Die Arbeitnehmer fordern 5,9 Prozent mehr Geld. Zwar bekommen sie seit
       Monatsbeginn schon 2,6 Prozent mehr Lohn. Zugleich seien aber „gravierende
       Einschnitte“ geplant, so die Mitarbeitervertretung. Unter anderem solle der
       Kinderzuschlag (90 Euro) und die Pflegezulage (80 Euro) ersatzlos
       gestrichen sowie die Jahressonderzahlung von einem auf ein Viertel
       Monatsgehalt gekürzt werden.
       
       Auch bei der betrieblichen Altersvorsorge will die Diakonie sparen – die
       Beschäftigte sollen sie mit bezahlen. Und eine Stunde mehr in der Woche
       sollen sie auch arbeiten, insgesamt 40 Stunden – ohne Lohnausgleich. Gerade
       in der Pflege seien zudem weitere Einschnitte geplant, heißt es in dem
       offenen Brief. Betroffen wäre vor allem jene, die neu eingestellt werden,
       für alle anderen solle eine „umfangreiche Besitzstandwahrung“ gelten, sagen
       die Arbeitgeber.
       
       Bisher brachten die Verhandlungen keine Einigung, allerdings dürfen die
       Beschäftigten der Diakonie nicht streiken, um ihren Forderungen Nachdruck
       zu verleihen. Stattdessen läuft nun ein Schlichtungsverfahren. Helmut
       Schümann vom Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretung – anderswo heißt das
       Gesamtbetriebsrat – warnt vor einem „Billig-Tarif“ in der Altenpflege und
       der beruflichen Weiterbildung: „Wir befürchten, dass sich damit der
       Pflegenotstand noch weiter erhöht.“ Die Arbeitgeber sollten ihre
       Forderungen deshalb zurückziehen, so Schumann.
       
       „Die finanzielle Ausstattung in Bremen, insbesondere in der Altenpflege,
       stellt sich als prekär da“, verteidigt sich der Verband diakonischer
       Dienstgeber in Deutschland (VDDD). Sozialhilfeträger und Selbstzahler seien
       immer seltener bereit, höhere Kosten zu tragen. Und überhaupt: Die
       Sparmaßnahmen bezögen sich nur „auf wenige Berufsfelder“, in denen die
       wirtschaftliche Lage der Diakonie eine „stärkere Orientierung an den
       branchenüblichen Tarifgehältern“ notwendig mache.
       
       Jörn Bracker von der Gewerkschaft Ver.di will das nicht gelten lassen. Er
       findet die Forderung der Diakonie „sehr unchristlich“: Diese Sparpolitik
       sei „ein Riesen-Skandal“ – und der Verweis auf die privaten Pflegedienste
       ohnehin „Quatsch“, so Bracker.
       
       Er verweist auf die Assistenzgenossenschaft Bremen, einem ambulanten
       Pflegedienst für behinderte Menschen, der Lohnerhöhungen um mehr als 30
       Prozent habe durchsetzen können. Die Kostenträger der Pflege seien laut
       Bundessozialgericht dazu verpflichtet, die Tarifverträge zu refinanzieren,
       so Bracker.
       
       Das stimmt zwar, sagt Michael Schmidt, der für die Arbeitgeber
       mitverhandelt. Allerdings steige dann anderswo der Kostendruck, also beim
       Essen, in der Verwaltung oder beim Strom und der Heizung. Höhere Kosten
       aber seien auf dem Markt nicht durchzusetzen. Und schon jetzt gebe es bei
       den stationären Altenpflegeplätzen in Bremen Leerstände. Schmidt verweist
       in diesem Zusammenhang auf diverse Insolvenzen kirchlicher Altenheime in
       Bremen und Niedersachsen.
       
       Da die Diakonie sich auf dem „3. Weg“ befindet, hat die Gewerkschaft in
       Bremen bei den Verhandlungen nicht mitzureden. In Niedersachsen ist das
       anders, sagt Bracker – dort stehen im Herbst wieder Tarifverhandlungen an.
       Und dort verdienen die Pflegekräfte mehr als in Bremen, sagt Ver.di.
       Allerdings gebe es in Niedersachsen auch kaum noch evangelische Altenheime,
       sagt Schmidt, und wenn doch, dann kämpften sie ums Überleben. In Bremen hat
       die Diakonie etwa 1.000 Plätze in der Altenhilfe.
       
       „Die Entwicklung geht in keine gute Richtung“, sagt auch Schmidt. Für ihn
       gibt es nur eine Chance, die Abwärtsspirale bei den Löhnen zu stoppen:
       Allgemeinverbindliche Tarifverträge, die für alle Anbieter gleichermaßen
       gelten.
       
       15 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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