# taz.de -- Abgeordneter prangert Missstände an: Mieses Heim stichelt zurück
       
       > Der SPD-Landtagsabgeordnete Schminke prangerte schlimme Zustände in einem
       > niedersächsischen Pflegeheim an. Nun steht seine Immunität in Frage
       
 (IMG) Bild: Brauchen starke Fürsprecher: pflegebedürftige Menschen in Heimen
       
       HEDEMÜNDEN taz | Er sei ein Kümmerer, sagt Ronald Schminke. Wenn die
       Menschen aus Hann. Münden sich an ihn wenden, könnten sie sich auf ihn
       verlassen. Schminke, ein alter Gewerkschafter, ist SPD-Landtagsabgeordneter
       in Niedersachsen. Und im Juni 2016 konnte er nicht mehr stillhalten. Seit
       Monaten hatte er Berichte gehört, über die schlimme Situation in einem
       Pflegeheim in Hedemünden mit dem blumigen Namen „Haus der Heimat“: über
       Pflegemängel, möglichen Abrechnungsbetrug, Untreue.
       
       Schminke wandte sich an die Öffentlichkeit und verglich die Zustände mit
       jenen in einem Pflegeheim auf Norderney, dessen Name „Inselfrieden“
       ebenfalls mehr verspricht, als es eingelöst hat. „Inselfrieden“ hatte eine
       andere, mittlerweile insolvente Betreiberfirma. Die Geschäftsführerin
       jedoch war auch hier Bettina K., wie beim „Haus der Heimat“.
       
       K. wiederum, selbst Rechtsanwältin, ging zum Gegenangriff über. Sie zeigte
       Schminke wegen Verleumdung an. Die Staatsanwaltschaft reagierte
       routinemäßig und beantragte die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten.
       Ein Vorgang, der durch die Presse ging. Schminke hat nun den Ältestenrat
       des Landtags gebeten, dem nicht stattzugeben. Er will sich nicht mundtot
       machen lassen.
       
       Tatsächlich sind die Vorwürfe, die auch die zuständige Heimaufsicht des
       Landkreises Göttingen gegen die Geschäftsführerin und das „Haus der Heimat“
       erhebt, gravierend. Ein Prüfbericht von Juli, der der taz vorliegt, liest
       sich wie eine Horrorgeschichte: Bei einer „bettlägerigen Bewohnerin wurde
       eine kotverschmutzte Bettdecke auch nach der grundpflegerischen Versorgung
       nicht gewechselt“, heißt es da etwa. Teilweise waren Bewohner stark
       verschmutzt, wurden über Wochen nicht geduscht – ein Bewohner über 49 Tage
       nicht. „Eine Achtung der Würde des Menschen“ sei „nicht erkennbar“, heißt
       es an anderer Stelle. Drei Bewohner würden fixiert oder eingesperrt.
       
       Seit Sommer herrscht ein „Belegungsverbot“, also eine „Teiluntersagung des
       Betriebes“, wie Kreissprecher Ulrich Lottmann erklärt. Zwar habe sich im
       Haus seitdem viel verbessert, aber längst nicht alle Mängel seien
       abgestellt.
       
       Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt gegen die Geschäftsführerin in
       gleich mehreren Verfahren: wegen Körperverletzung, weil eine Bewohnerin zu
       spät und mit einem wundgelegenen offenen Rücken ins Krankenhaus
       eingeliefert wurde, wegen Untreue, weil die Taschengelder nicht an die
       Bewohner ausgezahlt, sondern eingesackt worden sein sollen, wegen
       Falschabrechnungen von Einzelbetreuungen von Menschen, die gar nicht da
       waren, und weil Windeln über einen Bewohner abgerechnet wurden, der nicht
       inkontinent ist.
       
       Auch bei der Staatsanwaltschaft Aurich laufen weiterhin Ermittlungen gegen
       K. wegen der Zustände im Haus „Inselfrieden“: auch hier wegen möglicher
       Veruntreuung des Taschengeldes der BewohnerInnen und möglicher
       pflegerischer Versäumnisse.
       
       All das würde Schminke der Staatsanwaltschaft gern ausführlich vortragen –
       doch er kann nicht. Denn das wären schon Ermittlungen, die erst einsetzen
       dürfen, wenn seine Immunität aufgehoben wäre.
       
       18 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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