# taz.de -- Strafgeld an französischen Küsten: Die Burkini-Cops von der Côte d’Azur
       
       > Polizisten fordern eine Muslimin am Strand von Nizza auf, ihre Tunika
       > auszuziehen. Die Szene verdeutlicht die aufgeladene Stimmung im Land.
       
 (IMG) Bild: Burkini-Trägerin in Marseille, sie wurde nicht belangt (Archivbild vom 4. August)
       
       NIZZA taz | Zusammengerollt wie ein Kind döst die Frau am Strand im
       südfranzösischen Nizza, als vier mit Schlagstöcken bewaffnete Gendarme sie
       umzingeln. Offenbar wird sie aufgefordert, ihr Oberteil, eine türkisfarbene
       Tunika, abzulegen. Andere Badegäste beobachten die Szene,
       [1][Medienberichten zufolge applaudieren einige.]
       
       Noch während die Frau sich bis auf ein schwarzes Top auszieht, so zeigen es
       Fotos der französischen Agentur Bestimage, schreibt einer der Polizisten
       eine Abmahnung. 38 Euro Strafe kostet das Tragen eines Burkinis inzwischen
       an mindestens fünfzehn Stränden in Südfrankreich.
       
       Allerdings trug die bislang anonym gebliebene Frau nicht einmal einen
       Burkini, sondern lediglich ein weites Oberteil und ein im Nacken gebundenes
       Kopftuch. Die auf dem Boden sitzende Frau wirkt auf den Fotos schwach und
       klein, und doch wird sie behandelt, als handele es sich um eine
       Schwerverbrecherin.
       
       Auch wegen dieser demütigenden Szene machen die Bilder vom Kieselstrand in
       Nizza jetzt die Runde – am Dienstag zunächst in englischen Medien, die sich
       über die „Farce am Strand“ und die „Burkini-Cops“ mokierten, am
       Mittwochmorgen dann auch in Frankreich.
       
       ## Das Stück Stoff am Strand
       
       Tatsächlich ist der Burkini im Nachbarland zu einem großen Thema geworden.
       Nahezu täglich brüstet sich eine weitere Stadt damit, den Badeschleier von
       den Stränden verbannen zu wollen. Nachdem ein mutmaßlicher IS-Terrorist
       Mitte Juli in Nizza mit seinem Laster 86 Menschen in den Tod gerissen hat,
       suchen die meist rechts-konservativen Stadtchefs an der Côte d’Azur nach
       passenden Reaktionen. Den meisten ist außer einem Verbot des Burkinis am
       Strand nur wenig eingefallen.
       
       Dabei weist die Region eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Menschen auf,
       die als Terrorverdächtige registriert sind. Auch reisen
       überdurchschnittliche viele Jugendliche aus den südlichen Vorstädten nach
       Syrien, um sich dem „Islamischen Staat“ anzuschließen. Über die Gründe für
       diese Entwicklung wird wenig gesprochen – wohl aber über das Stück Stoff am
       Strand.
       
       Auf Schildern, an denen normalerweise die Wasserqualität und
       Erste-Hilfe-Tipps angeschlagen werden, finden sich nun die Erlasse der
       jeweiligen Rathäuser. Sie fordern die Badenden dazu auf, sich „korrekt, die
       guten Sitten respektierend und im Einklang mit der Laizität zu kleiden“.
       
       Die grüne Senatorin Esther Benbassa schreibt in der Libération, ein Verbot
       des Schleiers würde Muslime in Frankreich nur noch stärker dazu treiben,
       diese Symbole für ihre Identität zu nutzen. Die französische Republik aber
       wolle im Augenblick den Islam verbannen. Frauen mit Schleier oder im
       Burkini machten die muslimischen Bürger in Frankreich sichtbar. „In dieser
       angespannten Zeit wird das als Aggression empfunden.“
       
       ## Verwarnung wegen Kopftuch
       
       Umgekehrt werden nun die Musliminnen aggressiv angegangen. Vor zwei Tagen
       traf es eine französische Mutter von drei Kindern am Strand von Cannes.
       Obwohl sie keinen Burkini, sondern lediglich ein Kopftuch trug, sollte sie
       den Strafzettel bezahlen. Die 36-Jährige hat angekündigt, die Verwarnung
       rechtlich angehen zu wollen.
       
       Terroristen – oder besser Terroristinnen – treffen diese Verbote wohl kaum.
       An der Strandpromenade in Cannes, an der für eine Matratze mehr als 30 Euro
       am Tag und für ein Mineralwasser 10 Euro fällig werden, gehen wohlhabende
       Touristinnen baden.
       
       Das Geld aus islamisch geprägten Staaten lehnt die Côte-d’Azur auch nach
       den Anschlägen ohnehin nicht ab: Saudi-Araber bewohnen am Mittelmeer viele
       Villen an den teuren Strandpromenaden, im vergangenen Jahr hat der
       saudische König für seinen Urlaub 2.000 Zimmer angemietet. Und eines der
       prestigeträchtigsten Luxushotels in Cannes, das Carlton, gehört – wie viele
       Unterkünfte in der Festivalstadt – einer Stiftung aus dem arabischen Emirat
       Katar.
       
       ## Fotos aus Nizza helfen Dschihadisten
       
       Feministische Autorinnen wie Caroline Fourest beklagen die verlogene
       Debatte. Natürlich sei es sinnlos, den Burkini am Strand zu verbieten,
       schreibt Fourest. Aber niemand solle sich in den Dienst der islamistischen
       Propaganda stellen und die „rückwärtsgewandte und sexistische
       Verschleierung“ verteidigen. Im Kampf gegen den Terrorismus sei ein Verbot
       jedoch überflüssig. Zudem erlaube es den reaktionären muslimischen Kräften,
       sich als Opfer darzustellen.
       
       Tatsächlich helfen die Fotos aus Nizza den Dschihadisten: Wenige Stunden
       nach ihrer Publikation, so der Islamismusexperte David Thomson, hätten die
       Propagandisten des IS über das Web verbreitet: „Frankreich demütigt arme
       Muslimin.“
       
       24 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.theguardian.com/world/2016/aug/24/french-police-make-woman-remove-burkini-on-nice-beach
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Joeres
       
       ## TAGS
       
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