# taz.de -- Lehrergewerkschaft mit NS-Vergangenheit: Mitläufer als Aushängeschild
       
       > Die GEW gilt als links und antifaschistisch. Nun ist ihre Stiftung nach
       > einem Mann benannt, dem Historiker Geschichtsfälschung vorwerfen.
       
 (IMG) Bild: Auch der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) verbreitete seinerzeit den Mythos vom „deutschen Blut“
       
       BERLIN taz | „Was der Jude glaubt ist einerlei – in der Rasse liegt die
       Schweinerei.“ Was die Zeitschrift des Nationalsozialistischen Lehrerbundes
       (NSLB) zwischen 1933 und 1945 veröffentlichte, kann man nur als bösartige
       Hetze bezeichnen. Fast die gesamte Lehrerschaft – 97 Prozent – war
       seinerzeit Mitglied und bezog die Zeitschrift viele Jahre kostenlos.
       
       Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs und der Gründung der
       Bundesrepublik fassten die Mitglieder nicht nur rasch wieder in den Schulen
       Fuß, sondern auch in den neu gegründeten Verbänden – unter anderem in der
       Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die 1949 gegründete
       Lehrergewerkschaft gilt unter den Verbänden, die sich unter dem Dach des
       DGB versammeln, als besonders links und antifaschistisch.
       
       Nun erheben Gewerkschaftsmitglieder schwere Vorwürfe. „Die GEW beteiligte
       sich massenhaft daran, berechtigte Sanktionen gegen NS-Lehrer_innen mit
       ihrem Rechtsschutz wieder rückgängig zu machen“, heißt es in einem offenen
       Brief des Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten der GEW, der der
       taz vorliegt.
       
       Und nicht nur das: Der erste Vorsitzende der GEW, Max Traeger, nach dem die
       wissenschaftliche Stiftung der Gewerkschaft benannt ist, habe in den
       Nachkriegsjahren mit großer Energie Geschichtsfälschung betrieben. Die
       Studenten fordern nun eine breite und öffentliche Debatte und die
       Umbenennung der Max-Traeger-Stiftung. Auf der Website
       [1][KeinVorbild.wordpress.com] sollen ab Montag Unterschriften gesammelt
       werden.
       
       Die Initiative beruht auf Recherchen des Frankfurter Professors Benjamin
       Ortmeyer, der die Forschungsstelle NS-Pädagogik an der Goethe-Universität
       leitet und vor einigen Jahren den Reformpädagogen Peter Petersen als
       strammen Rassenideologen enttarnte.
       
       ## „Besonders bösartige Hetze“
       
       Ortmeyer und sein Team werteten in ihrem aktuellen Projekt zehn
       pädagogische Publikationen der NS-Zeit aus und beschäftigten sich unter
       anderem mit der zentralen Verbandszeitschrift des NSLB. Aufmerksam geworden
       durch „die besonders bösartige Hetze“ in dieser Zeitschrift, widmeten sie
       dem NSLB ein ganzes Buch. In diesem legen sie unter anderem dar, wie der
       Lehrerbund den Mythos vom „deutschen Blut“ verbreitete und eine besondere
       Hetze gegen sogenannte Mischlinge betrieb. Zudem hätten sich die Mitglieder
       vor allem an den Hilfsschulen an der „eugenischen“ Aussortierung von
       Schulkindern beteiligt.
       
       Das Buch erscheint am Montag. Das letzte Kapitel widmen Ortmeyer und die
       Koautorin Saskia Müller dem Erbe des NSLB. Darin weisen sie die von der GEW
       bis heute aufrechterhaltene Behauptung zurück, dass die Weimarer
       Lehrerverbände 1933 zwangsenteignet und zwangsweise in den NSLB
       eingegliedert wurden. An dieser „Legendenbildung“ habe sich auch der erste
       GEW-Vorsitzende Max Traeger maßgeblich beteiligt.
       
       Traeger war in der Weimarer Republik Vorsitzender eines Hamburger
       Lehrervereins, der 1933 dem NSLB freiwillig personell und finanziell
       beitrat. Nach dem Verbot der Naziorganisation 1945 wurde das Vermögen an
       die Verbände zurückgegeben, unter anderem ein zu einem Schnäppchenpreis von
       den jüdischen Besitzern gekauftes Haus in Hamburg. Dieses von Traeger noch
       1950 als „Judengrundstück“ bezeichnete Haus war bis 2013 im Besitz der
       Gewerkschaft.
       
       Die GEW habe in den letzten Jahrzehnten zwar enorme Anstrengungen
       unternommen, über die NS-Zeit aufzuklären und Projekte an Schulen zu
       unterstützen, schreibt Ortmeyer, der selbst GEW-Mitglied ist. „Aber vor der
       eigenen Haustür? Vor dem eignen Haus wurde nichts wirklich gekehrt und
       geklärt.“ Man könne sagen, so Ortmeyer zur taz, „dass die GEW bis in die
       70er Jahre hinein voll von alten Nazis war“.
       
       Er hat nun das Gespräch mit der GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe gesucht. Die
       zeigte sich überrascht über die Enthüllungen. Sie habe sich bisher nicht
       mit Max Traeger beschäftigt. Tepe zeigte sich aber offen für eine Debatte
       in der GEW. „Wir initiieren gerade ein wissenschaftliches Forschungsprojekt
       zur Geschichte der GEW. Dabei werden wir auch zur Vita von Max Traeger
       forschen lassen, alle Fragen in Ruhe diskutieren – und wir sind
       ergebnisoffen. Am Ende kann auch herauskommen, dass wir die Stiftung
       umbenennen.“
       
       Anmerkung der Redaktion: Im Text hieß es ursprünglich, das Hamburger Haus
       sei bis heute im Besitz der Gewerkschaft. Das ist nicht richtig. Die von
       Max Traeger als „Judengrundstück“ bezeichnete Immobilie wurde 2013 von der
       GEW Hamburg an das jüdische Bildungszentrum Chabad e.V. für 2,5 Millionen
       Euro verkauft, von denen die GEW 400.000 an die Jüdische Gemeinde Hamburg
       spendete.
       
       9 Oct 2016
       
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