# taz.de -- Nackig: Jusos entwaffnen Polizei
       
       > Die Bremer Jusos wollen Polizistinnen ohne Schusswaffe auf Streife
       > schicken. Dies könnte in Konfliktsituationen deeskalierend wirken, so
       > ihre Argumentation
       
 (IMG) Bild: Obwohl englische Bobbies unbewaffnet sind, sterben sie nicht häufiger im Dienst
       
       „Höher, schneller, weiter“ – auf diesem Niveau werde derzeit über die
       Ausstattung der Polizei diskutiert, sagte am Montag David Ittekkot,
       Vorsitzender der Bremer Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Dem hätten
       die Jusos mit ihren am Samstag beschlossenen Anträgen zur Entwaffnung der
       Polizei etwas entgegen setzen wollen. Danach sollen Kontaktbereichsbeamte,
       StreifenpolizistInnen und PolizistInnen auf Demonstrationen und
       Veranstaltungen keine Schusswaffen bei sich führen. Dies diene letztendlich
       dem Schutz der PolizistInnen, weil sie als weniger bedrohlich empfunden
       würden und eher deeskalierend brenzlige Situationen auflösen könnten.
       
       Ein „krudes Weltbild und ein gestörtes Verhältnis zu Staat und Polizei“
       warf ihnen daraufhin am Montag der Vorsitzende der Jungen Union, Maximilian
       Neumeyer, vor. PolizistInnen dienten „unserem Schutz und stellen keine
       Bedrohung dar“. Und: „Würde der Vorschlag der Jusos umgesetzt werden, wären
       Menschenleben in Gefahr.“
       
       Genau so sieht es die Polizei Bremen. Ihr Sprecher Nils Matthiesen sagte
       der taz: „Zu diesen Zeiten sollte man über solche Ideen gar nicht
       nachdenken.“ Das Tragen von Waffen diene der Eigensicherung der Polizei und
       sei „dringend notwendig“. Er erinnerte an die jüngste Schießerei am
       vergangenen Dienstag in Walle, nach der fünf verdächtige junge Männer
       festgenommen wurden, die eine Schusswaffe bei sich hatten.
       
       Zudem seien Schüsse auf Personen in Bremen ausgesprochen seltene
       Vorkommnisse. 2016 war eine Frau in der Innenstadt lebensgefährlich
       verletzt worden, als Anfang März ein Polizist durch eine Tür in eine
       Wohnung geschossen hatte. 2015 hatte es keine Polizistenschüsse auf
       Personen gegeben, 2014 war ein Mensch verletzt worden, im Jahr 2013 gab es
       nur einen Warnschuss. Bundesweit erschossen PolizistInnen im vergangenen
       Jahr nach einer Auswertung der Hochschule der Polizei in Münster zehn
       Menschen, in neun Fällen in Notwehr-Situationen. In den Vorjahren war die
       Zahl ähnlich niedrig.
       
       Die Bremer Jusos beziehen sich allerdings auf Erfahrungen aus anderen
       Ländern, in denen PolizistInnen überwiegend unbewaffnet sind. So
       dokumentiert die britische Zeitung The Guardian für England und Wales 55
       tödliche Polizeischüsse in 24 Jahren, in Deutschland waren es 112 Menschen
       zwischen 2000 und 2015. Das sind erheblich viel mehr – selbst wenn man die
       unterschiedliche Einwohnerzahl (80 Millionen in Deutschland, 57 Millionen
       in England und Wales) in Betracht zieht.
       
       Dafür leben britische PolizistInnen offenbar nicht gefährlicher als
       deutsche: Nach einer Veröffentlichung des Guardians starben seit 1945 über
       250 PolizistInnen im Einsatz. In Deutschland waren es nach einer Studie des
       Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen 118 PolizistInnen
       zwischen 1985 und 2000.
       
       Dass die Bremer Jusos mit ihrem Vorstoß Erfolg haben werden, ist
       unwahrscheinlich. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) wollte sich
       nicht zu dem Thema äußern. Die Bremer Polizei war zuletzt mit sogenannten
       Langwaffen ausgerüstet worden. Wie überall in Deutschland hofft man so, der
       Gefahr durch TerroristInnen besser begegnen zu können.
       
       In Rheinland-Pfalz aber beschloss der Landtag vergangene Woche,
       Schusswaffen durch Elektropistolen zu ersetzen. Ab 2017 sollen in einem
       Pilotprojekt Trierer BeamtInnen mit Tasern auf Streife gehen.
       
       10 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizei Bremen
 (DIR) Polizei
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Polizeieinsatz
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Schwere Waffen
 (DIR) Polizei
 (DIR) Terrorismus
 (DIR) Gewalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bei Einsatz wegen Ruhestörung: Polizei erschießt 22-Jährigen
       
       Bei einem Einsatz wegen Ruhestörung in Essen schießt ein Beamter, ein
       junger Mann stirbt. Sie seien bedroht worden und hätten sich gewehrt, sagen
       die Polizisten.
       
 (DIR) Folge von Polizeischüssen in Bremen: Polizist schießt, Mieter soll büßen
       
       Ein Polizist schießt in Bremen auf eine geschlossene Wohnungstür und
       verletzt eine 17-Jährige. Nicht er, sondern der Mieter wird nun belangt.
       
 (DIR) Flüchtling wirft Polizei Misshandlung vor: „Ich schrie vor Schmerzen“
       
       Der Sprecher der „Lampedusa“-Geflüchtetengruppe sieht sich als Opfer von
       Polizeigewalt. Die Behörde prüft nun die Vorwürfe.
       
 (DIR) Schleswig-Holstein setzt auf Kriegswaffen: Sturmgewehre für die Polizei
       
       Jeder Streifenwagen in Schleswig-Holstein könnte ein G36-Gewehr bekommen.
       Landesregierung will 14 Millionen in die Polizei investieren.
       
 (DIR) Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) über den Spagat zwischen Bürgernähe und Terrorabwehr: „Verlorene Zeit einholen“
       
       Innensenator Mäurer (SPD) reformiert die Bremer Polizei. Bürgernähe und
       Terrorabwehr will er dabei unter einen Hut bringen. Zur Kostenfrage hält er
       sich bedeckt.
       
 (DIR) Zur Terroristenbekämpfung: Polizei kriegt Kriegswaffen
       
       Mit Blick auf mögliche Feuergefechte mit Terroristen will Hamburg die
       Polizisten mit Sturmgewehren und besserer Schutzausrüstung ausstatten.
       
 (DIR) Behauptung versus Erkenntnis: Der gefühlte Anstieg der Gewalt
       
       Die vermehrten Übergriffe auf Polizisten, von denen die CDU immer wieder
       gern spricht, lassen sich in Bremen statistisch nicht belegen.