# taz.de -- Studentenprotest in Südafrika: Straßenschlacht statt Seminar
       
       > Unruhen an den Universitäten weiten sich aus. Die Regierung will die
       > Studiengebühren erhöhen. Studenten fordern ihre Abschaffung.
       
 (IMG) Bild: Studentenprotest in Kapstadt am 4. Oktober
       
       BERLIN taz | Tränengas und Rauchgranaten nebelten den Campus der
       Witwatersrand-Universität in Johannesburg ein, als die Polizei am Montag
       gegen demonstrierende Studenten vorrückte. Gummigeschosse und Steine flogen
       durch die Luft, Studenten gingen in Deckung. Polizisten in Kampfausrüstung
       stürmten auf die wütenden Studenten zu. Die zogen in das nahe Stadtviertel
       Braamfontein, ein Bus ging in Flammen auf und zahlreiche Geschäfte werden
       geplündert.
       
       Beinahe täglich kommt es an südafrikanischen Universitäten zu Unruhen, die
       in Gewalt ausarten. Was als Protest gegen höhere Studiengebühren begonnen
       hatte, endete in Straßenschlachten. Am Mittwoch schoss die Polizei in der
       Hauptstadt Pretoria mit Gummigeschossen und Tränengas auf Studenten, die
       versuchten, durch das Stadtzentrum zu marschieren. In der Nacht zuvor waren
       an mehreren Universitäten Brände gelegt worden. Bibliotheken und Busse sind
       Ziele von Brandstiftern geworden. Viele Studenten distanzieren sich
       inzwischen offiziell von mutwilligen Zerstörungen in ihrem Uni-Viertel.
       
       Seit September gibt es eine landesweite Kampagne gegen Studiengebühren.
       Während Studenten deren Abschaffung fordern, hat Bildungsminister Blade
       Nzimande empfohlen, die Gebühren für 2017 um 8 Prozent zu erhöhen.
       
       Aktuell betragen die Studiengebühren an den Universitäten zwischen rund
       1.930 und 3.800 Euro pro Jahr, ohne Unterkunft und Studienmaterial.
       Insbesondere viele junge Schwarze, die aus ärmeren Haushalten stammen,
       können das kaum bezahlen. Sie sehen sich häufig gezwungen, Schulden zu
       machen oder ihr Studium abzubrechen.
       
       ## Unterfinanzierter Hochschulbetrieb
       
       Bildungsminister Nzimande sieht einen Mittelweg: Die Studiengebühren sollen
       steigen, doch soll bei Studenten aus Elternhäusern mit einem geringen
       Einkommen der Staat für den Anstieg aufkommen. Nzimande schätzt, dass 70
       bis 80 Prozent der an den Hochschulen Eingeschriebenen betroffen sind. „Wir
       können nicht unsere Universitäten zerstören, um Gebührenerhöhungen für die
       Reichen zu vermeiden“, erklärte er in südafrikanischen Medien.
       
       Die Witwatersrand-Uni steht dem Modell offen gegenüber. Ein Vorschlag könne
       sein, die Gebühren über die nächsten zwei, drei Jahre anzupassen, sagt
       Uni-Sprecherin Shirona Patel. Sie schränkt allerdings ein: „Die Studenten
       wollen ab sofort keine Gebühren mehr zahlen. Das liegt nicht in unseren
       Händen.“
       
       Das Gebührenproblem geht tiefer als nur die Frage, ob Studenten das
       bezahlen können. Südafrikas Hochschulbetrieb, wie überhaupt das gesamte
       Bildungswesen, ist seit Jahrzehnten unterfinanziert.
       
       ## Seit Wochen kaum Unterricht
       
       „Die Armut und Nöte der Studenten aus armen Haushalten sind sehr real“,
       sagt Kommentator Max Du Preez. Aber die Ursache für die Proteste gehe
       tiefer: „Studenten sind unglücklich mit der Unfähigkeit der
       Postapartheidregierung, die Ungleichheit zu ändern.“ Er glaubt, dass eine
       kleine militante Gruppe für Aufruhr sorgt und Konflikt ohne Rücksicht
       schürt.
       
       An vielen Universitäten findet wegen der Proteste seit Wochen kaum
       Unterricht statt. Die Witwatersrand-Universität hat Sicherheitskräfte
       engagiert, damit die Lage auf dem Campus unter Kontrolle bleibt.
       Verhandlungen mit Uni-Leitung und Studenten hatten am vergangen Freitag
       begonnen und sollen weitergehen. Trotz des Streits konnte laut Uni am
       Montag die Hälfte der Vorlesungen stattfinden.
       
       Eine neue Kampagne hat derweil Zuspruch gewonnen: die
       „TakeBackWits“-Twitter-Kampagne, die sich für das Weiterführen des
       Unterrichts einsetzt. Ihre Vertreter stellen sich gegen die radikale
       Initiative „FeesMustFall“, die freien Hochschulzugang fordert. „Wir sollten
       alle zusammenstehen und dem Bildungsministerium zeigen, dass wir alle,
       Schwarze und Weiße, zu kämpfen haben“, sagt Khutso Kganyago, Studentin an
       der Witwatersrand-Universität.
       
       12 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martina Schwikowski
       
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