# taz.de -- Indiens Polizei hat ein Gewaltproblem: Rund 600 Tote in sechs Jahren
       
       > Regelmäßig foltern indische Polizisten Festgenommene. Selbst Tote gibt es
       > immer wieder. Eine neue Studie zeigt, dass eine Strafverfolgung oft am
       > Korpsgeist scheitert.
       
 (IMG) Bild: Schutz für die Bevölkerung? In indischem Polizeigewahrsam sterben regelmäßig Menschen
       
       NEU DELHI dpa/epd | In Indien sind in den vergangenen sechs Jahren rund 600
       Menschen in Polizeigewahrsam gestorben. Das ist das Ergebnis einer am
       Montag veröffentlichten Studie der Nichtregierungsorganisation Human Rights
       Watch (HRW). Die häufigsten Todesursachen waren demnach Folter und andere
       Misshandlungen. Gleichzeitig sei im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2015
       kein einziger Polizist wegen des Todes eines Menschen in Gewahrsam
       verurteilt worden, obwohl es Untersuchungen gab.
       
       „Unsere Ergebnisse zeigen zu häufig, dass die Polizisten, die Todesfälle in
       Polizeigewahrsam untersuchen, sich mehr darum kümmern, ihre Kollegen zu
       schützen, als die Fälle aufzuklären“, sagte die Südasien-Chefin der
       Organisation, Meenakshi Ganguly. „Die indische Polizei wird nur dann
       lernen, dass es nicht akzeptabel ist, Verdächtige mit Schlägen zu
       Geständnissen zu zwingen, wenn die Täter wegen Folter belangt werden.“ Zu
       den häufigsten Foltermethoden gehörten Schläge mit Gürteln, Stiefeltritte
       und mitunter auch das Aufhängen an der Decke an den Handgelenken.
       
       Auch Vergewaltigungen und das sogenannte Waterboarding, bei dem der
       Festgenommene zu Ersticken glaubt, sollen zu den Verhörmethoden zählen.
       Indien hat um die 450.000 Gefangene, doch die Kapazitäten der Gefängnisse
       sind unzureichend.
       
       Die Haftanstalten sind notorisch überfüllt und die Zustände dort
       verheerend. Das Justizsystem ist zudem hoffnungslos überlastet: Manche
       Gefangene verbringen Jahre in Untersuchungshaft, während ihr Fall
       untersucht wird. Frustriert mit dem langsame Tempo der Justiz nimmt der
       Polizei das Recht teils selbst in die Hand.
       
       ## Polizei folgt nicht den vorgeschriebenen Verfahren
       
       Das indische Gesetz schreibt eigentlich vor, dass Festgenommene innerhalb
       von 24 Stunden medizinisch untersucht und einem Amtsrichter vorgeführt
       werden müssen, um Folter und Misshandlungen zu verhindern. Doch laut den
       offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2015 geschah dies nur in 30 von 97
       Todesfällen in Polizeigewahrsam. Die Polizisten leisteten der Anordnung oft
       zu spät Folge. Es gab auch Fälle, in denen die Festgenommenen vorher
       starben.
       
       Die HRW-Studie widmet sich besonders ausführlich 17 der Todesfälle von 2010
       bis 2015, wofür die Wissenschaftler mehr als 70 Interviews mit
       Familienangehörigen, Zeugen, Rechtsexperten und Polizisten führten. „In
       allen diesen Fällen folgte die Polizei nicht den vorgeschriebenen Verfahren
       und machte die Betroffenen so verletzlicher für Missbrauch“, heißt es in
       der Auswertung.
       
       19 Dec 2016
       
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