# taz.de -- Geheimdienst-Kontrolleure zu Anis Amri: Sondersitzung im Bundestag
       
       > Haben die Sicherheitsbehörden im Fall des Attentäters vom Berliner
       > Breitscheidplatz Fehler begangen? Mit dieser Frage beschäftigt sich nun
       > auch das Parlament.
       
 (IMG) Bild: Thomas de Maizière will den Innenausschauss des Bundestags hinter verschlossenen Türen über den aktuellen Ermittlungsstand informieren
       
       BERLIN dpa | Die Geheimdienst-Kontrolleure des Bundestages befassen sich
       heute mit möglichen Fehlern der Sicherheitsbehörden im Fall des
       Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. In einer geheimen Sondersitzung soll
       dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) am Montagnachmittag ein vom
       Bundeskriminalamt (BKA) erstellter Bericht vorgelegt werden. Darin seien
       die den deutschen Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren
       vorliegenden Erkenntnisse über den 24-jährigen Tunesier chronologisch
       aufgelistet.
       
       Anschließend wird sich der Bundestag in seiner ersten Sitzungswoche nach
       der parlamentarischen Weihnachtspause intensiv mit den Hintergründen des
       Anschlags beschäftigen.
       
       [1][Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an
       der Berliner Gedächtniskirche gesteuert.] 12 Menschen starben und mehr als
       50 wurden bei dem bislang verheerendsten islamistischen Anschlag in
       Deutschland verletzt. Wenige Tage später wurde er bei einer
       Polizeikontrolle in Mailand erschossen.
       
       An diesem Mittwoch werden sich die Abgeordneten gleich mehrfach mit dem den
       Behörden seit langem bekannten Amri befassen. Nach dpa-Informationen will
       Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Experten im Innenausschuss des
       Bundestages hinter verschlossener Tür über den Stand der Ermittlungen
       informieren. Für den Nachmittag haben die Koalitionsfraktionen eine
       Aktuelle Stunde im Zusammenhang mit dem Anschlag Amris auf einen Berliner
       Weihnachtsmarkt im Herzen der Hauptstadt beantragt. Das Thema lautet:
       „Entschieden gegen Gefährder vorgehen – Maßnahmen zum Schutz der
       öffentlichen Sicherheit“.
       
       Bereits an diesem Dienstag wollen Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU)
       und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mit dem
       SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann über die weitere
       parlamentarische Aufarbeitung der Hintergründe des Anschlags beraten, wie
       aus Kreisen der Unionsfraktion bekannt wurde.
       
       ## Wird der BKA-Bericht alle offenen Fragen beantworten?
       
       Sicher nicht. Nach den am Wochenende bekannt gewordenen Medienberichten
       sind in dem Bericht weitgehend schon bekannte Fakten aufgelistet – dafür
       aber akribisch und chronologisch. Es seien nicht völlig neue Erkenntnisse
       zu erwarten. Zentrale Fragen nach möglichen Helfern oder der Flucht des
       Attentäters bleiben offen.
       
       ## Mehrere Medien haben bereits aus den BKA-Erkenntnissen berichtet. Was
       ist neu?
       
       Einige Details. Zudem dürften sich Einzelheiten bestätigen, die bisher nur
       aus nicht konkret benannten Quellen bekannt waren. So hieß es seit
       längerem, der Attentäter sei im allgemein kriminellen Umfeld unterwegs
       gewesen. Er habe in Berlin mit Drogen gedealt und selbst Drogen konsumiert.
       Die Welt am Sonntag berichtet nun unter anderem, Amri habe sich weitgehend
       aus den Drogengeschäften finanziert.
       
       WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung melden, der ihnen vorliegende Bericht
       zeichne in rund 60 Einträgen nach, wie die Polizeien Nordrhein-Westfalens
       und Berlins sowie das BKA zwischen dem 27. Oktober 2015 und dem 14.
       Dezember 2016 mit Amri verfahren sind. Am 19. Dezember verübte Amri den
       verheerenden Anschlag.
       
       Amri soll nach Angaben des Rechercheverbunds nicht nur erklärt haben, er
       wolle Anschläge in Deutschland begehen, sondern auch „fortgesetzt den
       Wunsch formuliert haben, nach Tunesien zurückzukehren“. Außerdem habe Amri
       seine religiösen Verpflichtungen vernachlässigt – auch das war in den
       vergangene Wochen schon bekannt geworden.
       
       Neu ist dagegen, dass italienische Staatsschützer laut SZ, WDR und NDR ihre
       deutschen Kollegen Ende 2015 über die wahre Identität Amris aufgeklärt und
       auch Fotos geschickt haben sollen. Die Italiener hätten zudem mitgeteilt,
       Amri habe vier Jahre in Italien in Haft gesessen. Bislang war offiziell
       nicht klar, ob und wann Italien die deutschen Behörden informiert hat. In
       Deutschland war Amri mit zahlreichen gefälschten Identitäten unterwegs.
       
       ## War Amri möglicherweise V-Mann von Bundesbehörden?
       
       Das Bundesinnenministerium sagt: „Amri war weder als Vertrauensperson noch
       als V-Mann der Sicherheitsbehörden des Bundes tätig.“ Es sei auch nicht
       versucht worden, ihn anzuwerben. Die Landesregierung von
       Nordrhein-Westfalen hatte am Samstag erklärt, der Tunesier sei kein V-Mann
       des Landesverfassungsschutzes gewesen.
       
       ## Wie wollen die Regierungsfraktionen weiter vorgehen?
       
       Darüber besteht Uneinigkeit. Die Spitze der Unionsfraktion ist offen für
       die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das wird
       von Innenminister de Maizière unterstützt, der die chronologische
       Aufarbeitung der Vorgänge für eine gute Grundlage für die Arbeit eines
       solchen Ausschusses hält.
       
       SPD-Fraktionschef Oppermann ist zwar grundsätzlich offen für einen solchen
       Ausschuss. In mehreren Interviews machte er aber klar, dass er einen
       Sonderermittler für das wirksamere Instrument hält. Dieser soll sich nach
       seinen Vorstellungen in den beteiligten Sicherheitsbehörden Informationen
       beschaffen und diese mit dem Parlament teilen.
       
       16 Jan 2017
       
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