# taz.de -- Tourismusmesse in Berlin: Kugelschreiber abgreifen gehen
       
       > Auf der ITB wirbt der türkische Außenminister um deutsche Urlauber.
       > Ansonsten gibt man sich an den Ständen der Türkei betont unpolitisch.
       
 (IMG) Bild: Angespanntes Verhältnis? Nur, solange der Außenminister da ist. Danach business as usual!
       
       Eine Frauenstimme schallt durch Halle 2 des Messezentrums. In einem
       Werbefilm spricht sie von der Farbe Türkis. Wasser. Himmel. Luft – alles
       türkis. Auf Hochglanzfotos sind Menschen vor türkisem Meer zu sehen,
       durchtrainiert und in Badekleidung. Viele Luxusressorts werben hier um
       zahlungskräftige Kund*innen. Aber auch der Medizin-Tourismus tritt groß
       auf: Haarverpflanzung, plastische Chirurgie, Zähne; verbunden mit einem
       Wellnessurlaub in Istanbul oder Antalya.
       
       Seit diesem Mittwoch läuft die Internationale Tourismusbörse in Berlin. 187
       Länder sind vertreten, bis Sonntag werden über 200.000 Besucher und ein
       Umsatz von 7 Milliarden Euro erwartet. Offizielles Partnerland ist dieses
       Jahr Botswana, das bedeutet, das Land kann neben der Eröffnungsfeier auch
       ein Programm für die kommenden Tage gestalten. 2016 waren die Malediven
       Partner der ITB, die Türkei war es 2010.
       
       Es gibt in diesem Jahr aber auch eigene Ausstellungsbereiche zu Gay &
       Lesbian Travel, Nachhaltigem Tourismus, Unternehmensverantwortung. Die
       Messe ist die weltweit größte der Reisebranche und damit ein wichtiger
       Markt besonders für die Länder, die auf den Tourismus angewiesen sind. Die
       Türkei gehört dazu. Und für die lief es letztes Jahr so schlecht wie seit
       einem Jahrzehnt nicht mehr.
       
       Angst vor Anschlägen oder Skepsis gegenüber der politischen Situation?
       „Nein, das ist uns egal“, antwortet ein älteres Paar, das sich von in der
       türkischen Halle von Stand zu Stand arbeitet und dabei Gebäck,
       Kugelschreiber und Plastikschmuck abgreift. Probesitzen bei Turkish
       Airlines – Stippvisite in die Autokratie?
       
       An den Ständen der Türkei gibt man sich auf Fragen nach wirtschaftlichen
       Auswirkungen betont unpolitisch. Während andere Länder mit ihren
       Traditionen und Trachten werben, ist bei der Türkei traditionelle Kleidung
       nicht zu sehen – stattdessen Maßanzüge und Kostüme.
       
       ## Der Außenminister wirbt
       
       Doch ganz trennen kann man Tourismus und Politik dann doch nicht: Als der
       türkische Außenminister nach seinem Treffen mit Außenminister und
       Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) am späten Mittwoch Vormittag die Messe
       besucht, stehen die Kamerateams bereit. Der Werbefilm wird angehalten, die
       Scheinwerfer wechseln von Türkis auf Weiß und Mevlüt Cavusoglu tritt ans
       Mikrofon.
       
       Er wirbt nach kräftigen Buchungsrückgängen auf der ITB um deutsche
       Urlauber. Sein Land sei so sicher wie Deutschland. Im Streit mit
       Deutschland ruft er zu gegenseitigem Respekt auf. Zugleich sagt er: „Wir
       bitten Deutschland sich zu entscheiden, ob es die Türkei als Freund oder
       Feind sieht.“
       
       Dann ein Zwischenfall: „Faschist!“ ruft einer, meint damit wohl Erdogan und
       taucht in der Menge unter. Zurück zum Business. Und Business ist hier
       unpolitisch türkis. So türkis wie das Wasser und die Luft und der
       Werbefilm.
       
       8 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Franke
       
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