# taz.de -- Umstrittener Friesenhof-Schlussbericht: Streit um Abschlussbericht
       
       > SPD, Grüne und SSW wollen in Mädchenheimen keine Kindeswohlgefährdungen
       > bemerkt haben. Schließung war trotzdem rechtens. Kritik von FDP und CDU
       
 (IMG) Bild: Im Untersuchungssausschuss zu den Friesenhof-Heimen: die schleswig-holsteinische Sozialministerin Kristin Alheit und ihr Anwalt Oliver Sahan
       
       Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Friesenhof-Heimen endet
       im Streit. Und es scheint fast so, als nehme jetzt die Opposition
       SPD-Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) gegen ihre Regierungsfraktionen
       in Schutz. Der Abschlussbericht soll spätestens am Donnerstag öffentlich
       werden. Der Entwurf liegt der taz in Auszügen vor. Darin wird klar: Die
       Regierungsfraktionen misstrauen den Aussagen der Heimbewohnerinnen.
       
       Beide Lager geben getrennte Voten ab. Der Teil von SPD, Grünen und SSW
       liest sich über weite Strecken wie eine Entlastung für die
       Heim-Betreiberin. Zwar bedauere man, dass es die Einrichtung gab und lehne
       die dort praktizierte konfrontative Pädagogik ab. Doch das Bild bleibe
       „diffus“, der Sachverhalt „ambivalent“. Auch stelle eine zu missbilligende
       Pädagogik noch keine Kindeswohlgefährdung dar.
       
       Insbesondere für den Zeitraum von 2013 bis zur Schließung im Mai 2015 habe
       man keine individuellen Kindeswohlgefährdungen „hinreichend sicher“
       feststellen können, erklärt SPD-Obfrau Beate Raudis, um nachzuschieben:
       „Was nicht heißt, dass es solche nicht gegeben haben könnte.“
       
       Die von einer ehemaligen Bewohnerin im Juli vor dem Ausschuss geschilderte
       Anordnung eines Betreuers „1.000 (!) Liegestütze machen zu lassen“ gehe
       zwar über das „vernünftige Maß“ hinaus und könne das Wohl des Kindes
       gefährden, heißt es in der Bewertung von SPD, SSW und Grünen. Sie verweisen
       aber auf den pädagogischen Sachverständigen Matthias Schwabe, der
       bezweifelt hatte, dass die Aussagen der Mädchen verlässlich seien.
       
       Auch an anderer Stelle wird Schwabe angeführt, um die Aussagen der Mädchen
       – insgesamt hatten drei ausgesagt – zu relativieren. So hatten zwei
       Zeuginnen von der Praxis des „Aussitzens“ berichtet, bei der die Mädchen
       über Stunden zusammen sitzen mussten, bis sie ein Fehlverhalten einräumten.
       Eine Zeugin berichtet von 19 Stunden, eine andere von 36 Stunden, die das
       gedauert haben soll.
       
       Er wolle nicht sagen, dass man Kindern nicht glauben darf, aber diese
       hätten auch „Dissoziationen“, wird der Pädagoge Schwabe zitiert: „Ich liege
       da vielleicht nur zehn Minuten, aber es erscheint mir wie eine Ewigkeit.
       Und wenn ich nachher dem ein Wort geben soll, sage ich: 24 Stunden dieser
       Ewigkeit.“
       
       Deshalb sieht sich die Ausschussmehrheit „nicht in der Lage, konkrete
       Feststellungen zur Dauer des Aussitzens zu treffen“. Die taz hat mit der
       Zeugin gesprochen. Sie sagt, „es gab eine Uhr an der Wand, da haben wir
       Mädchen regelmäßig drauf geguckt“. So hätten sie gemerkt, dass es 36
       Stunden dauerte.
       
       „Ich glaube den Mädchen. Die haben sehr sachlich und reflektiert
       gesprochen. Und wenn da eine Uhr an der Wand ist, können die sie auch
       lesen“, sagt die CDU-Politikerin Katja Rathe-Hoffmann. Die Relativierung
       durch das Gutachter-Zitat sei, „ein Schlag ins Gesicht für die Mädchen“,
       dafür wolle sie sich entschuldigen.
       
       CDU und FDP sehen sie es als gesichert an, dass Strafsport „systematisch“
       als erniedrigende und demütigende Reaktion auf Fehlverhalten eingesetzt
       wurde. „In der Gesamtschau kommen wir zu dem Schluss, dass das Kindeswohl
       im Friesenhof nicht gesichert war“, sagt FDP-Fraktionschef Wolfgang
       Kubicki. Darauf wiesen die Aussagen der Mädchen und zahlreiche Beschwerden
       in den Akten hin.
       
       SPD, Grüne und SSW, so Kubickis Vorwurf, hätten den Maßstab für
       Kindeswohlgefährdung „viel zu eng angelegt“, und zwar so, wie ein
       Familienrichter ihn anlegen müsste, wenn man Eltern die Kinder wegnimmt.
       Doch für einen gewerblichen Heimträger müssten strengere Kriterien gelten.
       „Wenn die Auffassung von Rot-Grün-Blau tragfähig wäre, wäre die Entziehung
       der Betriebserlaubnis durch Ministerin Alheit rechtswidrig gewesen“, sagt
       Kubicki. Das ist brisant, schließlich klagt die Heim-Betreiberin gegen die
       Schließung.
       
       Doch danach gefragt, weist SPD-Obfrau Raudis dies zurück. Nach Bewertung
       der Abgeordneten von SPD, Grünen und SSW sei der Entzug der
       Betriebserlaubnis für die Heime „Nanna“ und „Campina“ am 1. Jui 2015
       „rechtmäßig gewesen“.
       
       14 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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