# taz.de -- Vorgehen gegen Journalist Deniz Yücel: Merkel nennt das enttäuschend
       
       > Der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel ist in türkischer Untersuchungshaft.
       > Die kann Jahre andauern. Deutschlandweit sind Proteste angekündigt.
       
 (IMG) Bild: Äußerte sich schnell, nachdem der Richter dem Haftantrag stattgegeben hat: Kanzlerin Angela Merkel
       
       ISTANBUL dpa/taz | Die gegen den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel in der
       Türkei verhängte Untersuchungshaft hat in Deutschland bei Regierung,
       Parteien und Journalistenverbänden Unverständnis und Empörung ausgelöst. In
       Frankfurt ist für den Nachmittag ein Autokorso zur Unterstützung des
       Deutsch-Türken geplant, in Berlin eine Kundgebung mit dem Grünen-Chef Cem
       Özdemir. Auch in Bielefeld und Köln wird am Dienstag demonstriert.
       
       [1][Yücel war am Montag nach 13 Tagen im Polizeigewahrsam in
       Untersuchungshaft genommen worden.] Die kann fünf Jahre dauern, bis es zur
       Freilassung oder zu einem Prozess kommt, in dem die Schuldfrage geklärt
       wird. Dem 43-jährigen Korrespondenten werden der Welt zufolge „Propaganda
       für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“
       vorgeworfen.
       
       Yücel ist der erste deutsche Korrespondent, der seit Regierungsübernahme
       der islamisch-konservativen AKP des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip
       Erdogan im Jahr 2002 in Untersuchungshaft kommt.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anordnung der Untersuchungshaft
       „bitter und enttäuschend“ und erklärte: „Diese Maßnahme ist
       unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz
       freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.“
       Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz im Fall Yücel „den
       hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft“
       berücksichtige. „Wir (…) hoffen, dass er bald seine Freiheit
       zurückerlangt.“ Kanzleramtsminister Peter Altmaier [2][schrieb auf
       Twitter]: „Was @Besser_Deniz vorgeworfen wird und getan hat, wissen wir bis
       heute nicht. Deshalb ist er für mich unschuldig, Untersuchungshaft
       unverhältnismäßig.“
       
       Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sprach von „schwierigen Zeiten für die
       deutsch-türkischen Beziehungen“ und fügte hinzu: „Der Fall Deniz Yücel
       wirft ein grelles Schlaglicht auf die Unterschiede, die unsere beiden
       Länder offensichtlich bei der Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze und in
       der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit haben.“
       
       Bundesjustizminister Heiko Maas nannte den Umgang mit dem Journalisten sei
       „völlig unverhältnismäßig“. Kritische Berichterstattung sei „fundamentaler
       Bestandteil demokratischer Willensbildung“, sagte der SPD-Politiker der
       Deutschen Presse- Agentur. „Das Wegsperren von missliebigen Journalisten
       ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit
       unvereinbar.“ Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte
       halte, „wird eine Annäherung an die EU immer schwieriger bis unmöglich“.
       
       ## „Mechanismus der Einschüchterung“
       
       Das Vorgehen der türkischen Justiz gehört für Axel-Springer-Vorstandschef
       Mathias Döpfner zu einem „Mechanismus der Einschüchterung“ in
       autokratischen Systemen. „Seine Behandlung als Verbrecher ist ein Signal:
       so kann es jedem gehen, der sich solche Freiheiten nimmt“, schrieb der
       Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in einem [3][am
       Dienstag auf welt.de veröffentlichten Beitrag]. „Sein Fall ist kein
       Einzelfall, er ist Teil eines Systems, von neuer Qualität ist er nur
       deshalb, weil hier der Korrespondent einer nichttürkischen Zeitung
       betroffen ist“, schrieb Döpfner, der sich für die Solidarität nach der
       Festnahme des Korrespondenten bedankte.
       
       Reporter ohne Grenzen erklärte: „Dass ein Korrespondent einer namhaften
       ausländischen Redaktion sich jetzt solcher Anschuldigungen erwehren muss,
       bedeutet eine neue Qualität der Verfolgung, die deutlich über die
       bisherigen Schikanen wie Einreisesperren oder verweigerte Akkreditierungen
       hinausgeht.“ Yücel und alle anderen inhaftierten Journalisten müssten
       sofort freigelassen, erklärte RoG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die
       gegen Deniz Yücel erhobenen Vorwürfe der Terrorpropaganda und der
       Aufwiegelung der Bevölkerung sind schlicht absurd.“
       
       Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu kündigte eine Kundgebung für
       diesen Dienstag vor der türkischen Botschaft in Berlin unter dem Motto
       #FreeDeniz an. Mutlu sagte: „Wenn die Türkei zeigen will, dass sie eine
       Demokratie ist, dann muss diese Farce endlich beendet und die Presse- und
       Meinungsfreiheit geschützt werden.“
       
       Die [4][Initiative „Free Deniz“] will ebenfalls am Dienstag in Köln und
       Bielefeld für die Freilassung demonstrieren. In Köln plant die Initiative
       einen Autokorso. Nach Angaben der Veranstalter sollen 30 bis 50 Autos am
       Nachmittag durch die Kölner Innenstadt fahren. Die Veranstalter wollen
       damit auch gegen die Verhaftung anderer Journalisten in der Türkei
       protestieren. In der Bielefelder Innenstadt will die Initiative eine
       einstündige Mahnwache abhalten. In vielen weiteren deutschen Städten gibt
       es am Dienstag Demonstrationen für Deniz Yücel und die Pressefreiheit in
       der Türkei.
       
       ## „Mir geht es ganz gut“
       
       Unter dem derzeit geltenden Ausnahmezustand in der Türkei können
       Verdächtige bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Spätestens an
       diesem Dienstag hätte Yücel einem Haftrichter vorgeführt oder freigelassen
       werden müssen. Bereits der lange Polizeigewahrsam für Yücel war in
       Deutschland auf Kritik gestoßen.
       
       Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil
       nach ihm gefahndet wurde, und war festgenommen worden. Der
       Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt hatte danach an die Behörden appelliert,
       keine Untersuchungshaft zu verhängen.
       
       Yücel hatte seine Bedingungen im Polizeigewahrsam – vermittelt über seinen
       Anwalt – [5][in der Welt am Sonntag als schwierig bezeichnet]. Er hatte
       aber auch hinzugefügt: „Mir geht es ganz gut.“ Yücel teilte sich demnach
       mit meist ein bis zwei Mitgefangenen eine Sieben-Quadratmeter-Zelle. Gewalt
       habe er nicht erfahren oder mitbekommen. Die Polizisten seien manchmal grob
       im Ton, aber nicht ausfallend und im Rahmen der Vorschriften meistens auch
       hilfsbereit.
       
       Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die
       Türkei schon vor dem im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151
       von 180 Staaten. Dutzende regierungskritische türkische Journalisten sitzen
       in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des Wall Street
       Journals vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das
       Land.
       
       28 Feb 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://gazete.taz.de/article/?article=!5388620&category=!t5372561
 (DIR) [2] https://twitter.com/peteraltmaier/status/836332827981459456
 (DIR) [3] https://www.welt.de/politik/ausland/article162438685/WIR-SIND-DENIZ.html
 (DIR) [4] http://freedeniz.de/
 (DIR) [5] https://www.welt.de/politik/ausland/article162384647/Deniz-Yuecel-das-Haftprotokoll.html
       
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