# taz.de -- Handballclub THW Kiel unter Druck: Ein dankbarer Gegner
       
       > Der Ruf des Handballclubs THW Kiel hat nach einigen Niederlagen gelitten.
       > Weil eine weitere Saison ohne Titel droht, gerät der Trainer unter Druck.
       
 (IMG) Bild: Geschlagen: Nikola Bilyk (l) und Patrick Wiencek vom THW verlassen die Arena in Flensburg
       
       Mit Stolz hat der Handballclub THW Kiel auf seiner Homepage einen
       Fernsehtipp veröffentlicht. Am Sonntagabend bildeten die Mannschaft, 10.285
       Zuschauer und das Maskottchen „Hein Daddel“ in der ehemaligen Ostseehalle
       den Rahmen für eine „Tatort“-Szene mit der Schauspielerin Sibel Kekilli.
       
       In der ARD komme, so die Ankündigung auf der THW-Homepage, nun zusammen,
       was zusammengehöre: „Der Tatort, die beliebteste Krimireihe im deutschen
       Fernsehen, trifft auf den THW Kiel, den erfolgreichsten Handballverein
       Deutschlands!“ Richtig ist dies schon. Schließlich können die „Kieler“
       Zebras in ihrer ruhmreichen Historie 20 deutsche Meisterschaften, neun
       DHB-Pokalsiege und drei Champions-League-Triumphe vorweisen.
       
       Andererseits ist die aktuelle sportliche Situation keinesfalls überragend.
       Der THW ist ein gutes Stück davon entfernt, weitere Trophäen einzuheimsen.
       Es droht die zweite Nullrunde in Folge. Schon in der vergangenen Saison
       hatte es auf dem Rathausplatz keine Titelfeier gegeben, seinerzeit zum
       ersten Mal seit 2003.
       
       Ein Mal lässt sich so etwas in Kiel verschmerzen. Zeichnet sich aber eine
       Wiederholung ab, führt dies zu Unruhe. Dies bekam Trainer Alfred Gislason
       unlängst zu spüren, als sein Team zu Hause in der Champions League gegen
       Bjerringbro-Silkeborg mit 21:24 verlor. Der dänische Meister steht
       international in der zweiten Reihe.
       
       Viele THW-Fans kritisierten den 57 Jahre alten Isländer. Ihm sei das Feuer
       abhanden gekommen. Er würde das Team nicht mehr erreichen. Vom
       THW-Geschäftsführer Thorsten Storm erhielt Gislason Rückendeckung. „Alfred
       ausgebrannt? Das sehe ich gar nicht so. Alfred hat mit jungen Spielern
       einen Neuanfang begonnen, und ich sehe, dass er alles in die
       Weiterentwicklung des Teams investiert“, sagte Storm den Kieler
       Nachrichten.
       
       Es kam aber noch schlimmer für Gislason und sein Team. Bei Paris
       Saint-Germain ging der THW mit 24:42 unter. Es war die höchste Niederlage
       auf internationalem Terrain überhaupt. Auch in der Bundesliga ist es für
       die „Zebras“ nie derart schlimm gekommen. Am nächsten dran sind Niederlagen
       mit 15 Toren Differenz: Am 4. Februar 1968 beim VfL Gummersbach (17:32), am
       19. Mai 1986 bei TuSEM Essen (14:29) und am 20. Dezember 2006 beim SC
       Magdeburg (24:39).
       
       „Skandalös schlecht angefangen“ habe seine Mannschaft in Paris, urteilte
       Gislason. „Wir haben viele Bälle verschossen und auch hinten nicht
       zugepackt.“ Schmerzhaft ist vor allem, wie das Renommee darunter leidet.
       Kiel wird von den Konkurrenten, anders als früher, längst nicht mehr als
       Bedrohung, sondern eher als dankbarer Gegner wahrgenommen.
       
       Wie es so weit kommen konnte? Dem THW fehlt es vor allem an Balance im
       Team. Zu groß ist die Abhängigkeit vom kroatischen Spielmacher Domagoj
       Duvnjak, bei dem die Belastung der WM im Januar deutliche Spuren
       hinterlassen hat. Den großen Talenten Lukas Nilsson oder Nikola Bilyk
       mangelt es noch an Konstanz auf höchstem Niveau. Zudem bleibt der serbische
       Rückraumschütze Marko Vujin oft unter seinen Möglichkeiten. Und auf
       Linksaußen stagniert Rune Dahmke in seiner Entwicklung.
       
       Meister zu werden, ist bei 38:8 Punkten kaum noch möglich. Die SG
       Flensburg-Handewitt ist mit ihren 41:3 Punkten erster Anwärter. Im
       DHB-Pokal ist in der aktuellen Verfassung schon das Halbfinale gegen den SC
       DHfK Leipzig eine Herausforderung. Sollte es ins Endspiel gehen, wären dort
       Flensburg oder der amtierende Meister Rhein-Neckar Löwen der Gegner.
       
       Mit Letzterem hat es der THW auch im Achtelfinale der Champions League zu
       tun. Das Hinspiel findet am Mittwoch in Kiel statt. „Wir müssen uns gegen
       diese starke Mannschaft zusammenreißen“, forderte Gislason. „Es geht um
       alles.“ Sollte tatsächlich das Weiterkommen gelingen, wäre im Viertelfinale
       der FC Barcelona der Gegner – für die „Zebras“ sind das keine guten
       Perspektiven.
       
       19 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Görtzen
       
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