# taz.de -- Volker Weiß für den Buchpreis nominiert: Mythen zerlegen
       
       > Von Polemik keine Spur: Sachlich analysiert der Historiker Volker Weiß
       > die Neue Rechte und ihre Hassliebe zum radikalen Islam.
       
 (IMG) Bild: Standhaft in Dresden. Die Rechte ist so stark, weil Linke und Liberale so schwach sind, schreibt Weiß
       
       Das Logo des neurechten Verlags Antaios, der von Götz Kubitschek geleitet
       wird, ist eine Schlange. „Und doch geht es uns wie dem Emblemtier dieses
       Verlags“, formuliert in einem Gesprächsband Kubitscheks Ehefrau Ellen
       Kositza: „Sie häutet sich, häutet sich wieder – und bleibt doch immer die
       Gleiche.“ Besser lässt sich die zentrale These von Volker Weiß’ neuem Buch,
       „Die autoritäre Revolte“, kaum illustrieren: Zwar haben sich die Rechten
       in ihren Erscheinungsformen in Deutschland modernisiert – in ihrem Kern
       aber sind sie dieselben geblieben.
       
       Zwei Ziele werden der Neuen Rechten gemeinhin zugeschrieben: die
       Intellektualisierung der Rechten und das Erringen der kulturellen
       Hegemonie. Letzterem ist sie, seit Thilo Sarrazin mit seinem Bestseller
       „Deutschland schafft sich ab“ (2010) einen Dammbruch eingeleitet hat, ein
       gutes Stück näher gekommen. Volker Weiß hat nun ein Buch vorgelegt, das die
       Neue Rechte und ihre Diskurse seziert. Nüchtern und kenntnisreich
       analysiert der Historiker die Bewegung von AfD und Pegida über die
       Identitären bis zu Kubitscheks Institut für Staatspolitik, ihre Medien,
       darunter die Junge Freiheit und Compact, ihre historischen Vorbilder und
       internationale Verknüpfungen.
       
       Dabei räumt Weiß mit einigen Mythen auf. Einer davon: die konservative
       Revolution. Mit ihrer Hilfe versuchte die Neue Rechte, sich einen
       historischen Bezug zu schaffen, der vom Nationalsozialismus entlastet ist.
       Weiß zeigt auf, wie der Schweizer Publizist Armin Mohler, der
       Privatsekretär Ernst Jüngers war und als dessen Schüler sich Kubitschek
       begreift, die Legende dieser rechten Denkschule konstruierte. Die Neue
       Rechte zehrt bis heute davon.
       
       Ein anderer Mythos, den Weiß zerlegt: das Abendland, dessen Untergang
       Oswald Spengler bereits vor fast einem Jahrhundert beschwor. Weiß zeichnet
       nach, wie wenig die Untergangsszenarien, die sich seitdem durch die
       Geschichte ziehen und zuletzt bei Pegida groß rauskamen, mit dem
       klassischen Abendlanddiskurs zu tun haben. Vielmehr geht es um Abgrenzung,
       um einen Diskurs gegen Einwanderung, vor allem gegen Muslime. „Das von
       Dresdener und Leipziger Redebühnen verteidigte ‚Abendland‘ ist tatsächlich
       nichts als ein Kampfbegriff, dessen Bedeutung geradezu willkürlich
       verändert werden kann“, schreibt Weiß.
       
       ## Der Hauptfeind
       
       Und doch: Weiß zeigt auf, dass Islam und Muslime nicht der Hauptfeind der
       identitären Politik der Neuen Rechten sind. „Die größte Bedrohung unserer
       Identität ist keine andere Identität“, zitiert er den Vordenker der
       französischen Neuen Rechten, Alain de Benoist. Als größte Bedrohung gilt
       diesem der „politische Universalismus in all seinen Formen, der die
       Volkskulturen bedroht“. Heute heißt das: Als Hauptfeind wird die liberale
       westliche Gesellschaft US-amerikanischer Prägung angesehen.
       
       So erschließt sich auch, was Jürgen Elsässer, der früher mal ein Linker
       war, auf einer Veranstaltung seiner Zeitschrift Compact ausplauderte: dass
       es am Anfang von Pegida die Überlegung gegeben habe, die Dresdner Proteste
       Pegada zu nennen: „Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des
       Abendlandes“. Doch man kam zu dem Schluss: Gegen Islamisierung sei die
       Bevölkerung leichter zu mobilisieren. Ohnehin, schreibt Weiß, verbinde die
       Neue Rechte eine Hassliebe zum radikalen Islam: „Beide teilen sich das
       heroisch-maskuline Weltbild, gepaart mit Frauenverachtung und Homophobie.“
       
       Volker Weiß’ Buch zeigt: Die Neue Rechte ist eine ernste Gefahr für die
       liberale Demokratie. Ihre Stärke gründe sich auch in der Schwäche von
       Linken und Liberalen und dem, was Weiß „das Schweigen in der Komfortzone“
       nennt. Man muss nicht alles teilen, was Weiß hier kritisiert – lesenswert
       und anregend ist das Buch allemal. „Die autoritäre Revolte“ ist aus gutem
       Grund für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse 2017 nominiert.
       
       22 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
       
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