# taz.de -- Berliner Polizisten: Individuum zu sein ist keine Nachteil
       
       > Berlins Polizisten sind mit Namen oder Nummer identifizierbar. CDU und
       > GdP sorgten sich deswegen um deren Sicherheit. Dafür gibt es keinen
       > Grund.
       
 (IMG) Bild: Ob Nummer oder Name kann jeder selbst entscheiden
       
       Sogar eine Schweinshaxe musste herhalten. Beim Protest gegen die Einführung
       der Kennzeichnungspflicht kannte der Erfindungsreichtum der
       Polizeigewerkschaften keine Grenzen. Auf die Spitze trieb es der
       Vorsitzende des Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG),
       Bodo Pfalzgraf. Um zu zeigen, wie groß die Selbstverletzungsgefahr für die
       Beamten durch Namensschildchen ist, schlitzte er damit vor versammelter
       Presse ein Eisbein auf.
       
       Das war 2011. Soeben war die von der rot-roten Landesregierung beschlossene
       Neuerung in Kraft getreten. Seither tragen alle Berliner Polizisten ein
       silberfarbenes Kunststoffschildchen an der Uniform. Ob darauf ihr Name
       steht oder eine persönliche Nummer, können sie selbst entscheiden.
       
       Für die Beamten der Einsatzhundertschaften gilt eine Sonderregelung. Auf
       dem Rücken der Schutzweste und an den Helmen haben sie eine individuell
       zuzuordnende Ziffer. Nach sechs Jahren ist die individuelle Kennzeichnung
       längst Alltag. Die vielen Bedenken, die dagegen geäußert wurden, haben sich
       nicht bewahrheitet. Das hat nun auch die Antwort der Innenverwaltung auf
       eine eine parlamentarische Anfrage der Linken bestätigt, die am gestrigen
       Mittwoch veröffentlicht wurde.
       
       Nicht nur die Polizeigewerkschaften, auch die Christdemokraten hatten eine
       Denunziationswelle in Form von Strafanzeigen gegen die Polizei in Folge der
       Kennzeichnung vorausgesagt. Tatsächlich sind von Januar 2012 bis Dezember
       2016 ganze 65 Strafanzeigen unter Angabe der Kennzeichnung erstattet
       worden. 2012 waren es 31 Fälle, 14 im Jahr 2013, sechs 2014, vier 2015 und
       zehn 2016. Keine dieser Strafanzeigen habe zu einer Verurteilung geführt,
       heißt es weiter.
       
       Die Daten der Polizisten würden ausspioniert, die Beamten würden bedroht,
       auch ihre Familien seien nicht mehr sicher, argumentierten Gewerkschaften
       und CDU seinerzeit. Tatsächlich ist seit Einführung der
       Kennzeichnungspflicht kein einziger solcher Fall zur Anzeige gekommen. Auch
       über sonstige negative Auswirkungen der individuellen Kennzeichnungspflicht
       lägen dem Senat keine empirischen Erkenntnisse vor, erklärte der
       Staatssekretär für Inneres, Torsten Akmann (SPD), in der Antwort auf die
       Anfrage.
       
       Vor dem Hintergrund, dass es seit 2012 keine signifikanten Änderungen
       beziehungsweise Auffälligkeiten im Anzeigenverhalten gegeben habe, wird nun
       keine weitere Statistik mehr geführt. Die Erhebung sei zum 1. Januar 2017
       eingestellt worden, so Akmann.
       
       Die Gegner der Kennzeichnungspflicht kommentierten die Auswertung am
       Mittwoch auf ihre Art: „Gott sei Dank sind die Befürchtungen nicht
       eingetreten“, sagte DPolG-Chef Pfalzgraf. Das eigentlich Interessante sei
       für ihn aber, dass bei 65 Anzeigen keine einzige Verurteilung erfolgt sei.
       Das zeige: „Die Kennzeichnung ist eine völlig überflüssige
       Misstrauensbekundung.“
       
       Auch der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Benjamin Jendo sieht
       das so. Die Polizei werde zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt. Im
       Unterschied zu Pfalzgraf, der nunmehr fordert, zur freiwilligen
       Kennzeichnung zurückzukehren, erweist sich Jendro aber als Realist: „Der
       Zug ist wohl abgefahren.“
       
       Wohl wahr – denn schließlich hat Berlin eine rot-rot-grüne Landesregierung.
       Die Bürgerrechtsbewegung – parlamentarisch vertreten durch Grüne und Linke
       – hat lange für die Kennzeichnungspflicht gekämpft. Eine weltoffene und
       transparent auftretende Polizei ist das Leitbild. Die Auswertung zeige,
       dass die Namens- und Nummernschilder „einen generalpräventiven Effekt
       haben“, so Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken am Mittwoch zu taz.
       
       Dass die 65 Strafverfahren eingestellt wurden, sei nicht verwunderlich. Der
       allergrößte Teil der Strafverfahren gegen Polizisten werde eingestellt.
       Denn die Ermittlungsbehörden seien befangen, wenn Polizisten die
       Beschuldigten seien.
       
       Das sei der Grund, warum Berlin einen unabhängigen Polizeibeauftragten
       brauche, sagt Schrader weiter. In der Koalitionsvereinbarung ist die
       Einrichtung der unabhängigen Beschwerdestelle für Bürger und Polizei
       festgeschrieben. Zum Ende des Jahres werde man das Thema angehen, hofft
       Schrader.
       
       19 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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