# taz.de -- Leihmutter-Elternschaft aus USA nicht anerkannt: Eltern dürfen nicht Eltern sein
       
       > Sich gegen Geld im Ausland ein Kind austragen zu lassen, verstößt gegen
       > deutsches Recht, urteilt das Oberlandesgericht Braunschweig.
       
 (IMG) Bild: Stellen Gerichte vor ein Dilemma: Leihmutterschaften, die der Gesetzgeber verhindern will, bei denen Gerichte aber kindgerecht mit den Folgen umgehen sollen.
       
       HAMBURG taz | Ein Paar aus der Region Braunschweig darf nicht Eltern seiner
       Kinder sein. Das Paar habe bewusst deutsche Gesetze umgangen, indem es die
       Zwillinge von einer Leihmutter in den USA habe austragen lassen, urteilte
       das [1][Oberlandesgericht Braunschweig] (Az. 1 UF 83/13). Damit könnten sie
       nach deutschem Recht nicht als Eltern anerkannt werden. Weil die Frau die
       Vormundschaft für die Zwillinge hat, ändere sich für das tägliche Leben der
       Familie aber nichts.
       
       Die Frage, wie mit einer Leihmutterschaft und deren Folgen umzugehen sei,
       hat immer wieder die Gerichte beschäftigt. Das gilt insbesondere für das
       Dilemma, dass der deutsche Gesetzgeber zwar Leihmutterschaften verhindern
       möchte, zugleich aber die Gerichte mit deren Folgen in kindgerechter Weise
       umgehen müssen.
       
       „Wenn so ein Kind einmal da ist, hat die Elternschaft anerkannt zu werden“,
       verlangt Johannes Schmidt, der Vorsitzende des [2][Kinderschutzbundes] in
       Niedersachsen. Alles andere verunsichere die Kinder und die Familien. „Das
       Kind kann nichts für den Rechtsbruch“, sagt Schmidt.
       
       Im aktuellen Fall hatte das Ehepaar jahrelang vergeblich versucht, ein Kind
       zu bekommen. Schließlich ließ es sich von einer Agentur eine Amerikanerin
       vermitteln, die sich gegen Bezahlung bereiterklärte, das künstlich
       befruchtete Ei der Deutschen auszutragen. Ein Gericht im US-Bundesstaat
       Colorado erklärte das deutsche Paar zu rechtmäßigen Eltern. Für das gesamte
       Verfahren einschließlich der Kosten für die Agentur, die Leihmutter und das
       Krankenhaus hat das Paar nach Auskunft seines Ulmer Anwalts Thomas
       Oberhäuser 100.000 US-Dollar bezahlt.
       
       Mit den Neugeborenen zurück in Deutschland beantragte das Paar die
       Anerkennung seiner Elternschaft beim Amtsgericht Braunschweig. Das lehnte
       ab, wogegen sich das Paar beim Oberlandesgericht beschwerte. Nach der
       erneuten Abfuhr will es den Fall nun vor den Bundesgerichtshof bringen –
       eine Möglichkeit, die das Oberlandesgericht „wegen der grundsätzlichen
       Bedeutung der Rechtssache“ zugelassen hat. Die Entscheidung des US-Gerichts
       sei mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar, urteilte
       das Oberlandesgericht. Eine kommerzielle Leihmutterschaft widerspreche dem
       [3][Embryonenschutzgesetz] und dem [4][Adoptionsvermittlungsgesetz]. Sie
       verletze „in mehrfacher Hinsicht den vom deutschen Gesetzgeber verfolgten
       besonderen Schutz von Müttern und Kindern“, womit besonders dem Schutz der
       Menschenwürde, des Lebens und dem Kindeswohl Rechnung getragen werden
       solle.
       
       Gerade deshalb sei es wichtig, dass solche Elternschaften legalisiert
       würden, findet der Kinderschutzbund. Dessen Vorsitzender Schmidt sieht zwar
       die moralischen Probleme, die mit einer Leihmutterschaft verbunden sind:
       etwa dass so ein Kind Gegenstand eines Geschäfts werde und noch dazu
       zwischen Reich und Arm, weil wohlhabende Auftraggeber von der Not der
       Leihmütter profitierten. Das Urteil des Oberlandesgerichts sei aber nicht
       empathisch. Es enthalte dem Kind eine Elternschaft vor.
       
       „Das Urteil hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Familienleben“,
       sagt dagegen der Sprecher des Oberlandesgerichts Alexander Wiemerslage. Das
       soziale Umfeld, in dem die Kinder seit 2011 lebten, werde dadurch nicht
       berührt. Der Anwalt des Paares sieht das anders. Rechtliche Eltern könnten
       den Umgang ihrer Kinder bestimmen und deren Staatsangehörigkeit, sagt
       Oberhäuser. Und gegenüber rechtlichen Eltern hätten Kinder auch Ansprüche,
       etwa zu erben.
       
       Das Oberlandesgericht berief sich unter anderem auf das
       [5][Leihmutterschaftsurteil des Bundesgerichtshofs] (BGH) von 2014 (XII ZB
       463/13). Demnach gebiete das Kindeswohl nicht grundsätzlich die rechtliche
       Zuordnung einer Elternschaft. Es sei nicht erkennbar, „dass in diesem Fall
       die nach ausländischem Recht erworbene Elternschaft dem Heranwachsen der
       Kinder förderlich sein könnte“, sagt Wiemerslage.
       
       Das ist überraschend, denn unterm Strich war der BGH zu einem Urteil im
       Sinne der Leih-Auftraggeber gekommen. Der BGH erkannte das Urteil eines
       kalifornischen Gerichts an, das einem homosexuellen Berliner Paar die
       Elternschaft zugesprochen hatte: Von der kalifornischen Entscheidung könne
       nur abgewichen werden, wenn diese mit wesentlichen Grundsätzen des
       deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, unvereinbar sei, entschied
       der BGH.
       
       Das Recht des Kindes auf ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis überwiege
       gegenüber den Rechten der Leihmutter, die die Verantwortung für das Kind
       nicht übernehmen wolle. „Eigentlich hat der BGH die grundsätzliche Frage
       bereits geklärt“, findet Anwalt Oberhäuser.
       
       Johannes Schmidt vom Kinderschutzbund ist so oder so froh, das Thema wieder
       öffentlich diskutiert zu sehen. „Uns ist es wichtig, möglichst schnell ein
       Grundsatzurteil des BGH zu erhalten“, sagt er.
       
       24 Apr 2017
       
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