# taz.de -- Italien und die Stiefkind-Adoption: Vater, Vater, Kind > Der Linken-Politiker Nichi Vendola hat mit seinem Partner und einer > Leihmutter ein Kind bekommen. Manche Medien und Politiker geifern. (IMG) Bild: Nichi Vendola bekennt sich ebenso offensiv zu seinem katholischen Glauben wie zu seiner Homosexualität. ROM taz | Fast könnte man meinen, der Mann habe das mit Absicht gemacht: Am letzten Donnerstag verabschiedete der italienische Senat das Gesetz zur Homo-Ehe, aus dem im letzten Moment die „Stiefkind-Adoption“ gestrichen wurde – und nur zwei Tage später wird Nichi Vendola Vater. Genauer gesagt wurde er einer von zwei Vätern, zusammen mit seinem Lebensgefährten Ed Testa. Damit war die gerade erst geführte Debatte über die Adoptionsrechte schwuler und lesbischer Paare, die Debatte auch über die Leihmutterschaft, gleich wieder eröffnet, denn Vendola ist nicht irgendein Anonymus. Der 57-Jährige darf sich zu den prominentesten Politikern der radikalen Linken Italiens zählen. Er ist der Frontmann der Partei „Sinistra Ecologia Libertà“ (SEL – Linke, Ökologie, Freiheit) und regierte zehn Jahre lang, bis Juni 2015, die süditalienische Region Apulien. Und der in der Kommunistischen Partei Großgewordene bekennt sich ebenso offensiv zu seinem katholischen Glauben wie zu seiner Homosexualität. Jetzt ist Tobia Antonio auf der Welt. Fotos gibt es von dem Kleinen zwar nicht, dafür aber Schlagzeilen in der italienischen Presse. Der leibliche Vater ist Ed Testa, Italo-Kanadier und 20 Jahre jünger als Vendola. Ausgetragen wurde das Kind von einer Leihmutter in Kalifornien. Tobia wird mit drei Pässen (Kanada, Italien, USA) und zwei Vätern aufwachsen, auch wenn einer der beiden, Vendola, nach italienischem Recht nicht der Vater ist. Gut so, meinen vor allem Vertreter der rechten und der katholischen Kreise, die sich gerade erst über ihren Teilsieg gefreut hatten, die Stiefkind-Adoption (wonach einer der PartnerInnen einer Homo-Ehe das Kind des/der anderen automatisch hätte adoptieren können) aus dem gerade verabschiedeten Gesetz gekippt zu haben. Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, geiferte gegen Vendolas „widerlichen Egoismus“. Maurizio Gasparri sah seinerseits „Techniken von Menschenhändlern“ am Werk. Und der radikal-katholische Politiker Mario Adinolfi barmte, der kleine Tobia sei ja nun mütterlicherseits „Halbwaise“. Während solch rüde Ausfälle dem rechtskatholischen Lager vorbehalten blieben, meldeten sich jedoch auch von links zweifelnde Stimmen. In Italien ist – wie in Deutschland – die Leihmutterschaft verboten. Nicht verboten ist es jedoch, ein zum Beispiel in Kanada oder den USA ordentlich standesamtlich registriertes Neugeborenes mit nach Italien zu bringen – egal, ob die Eltern homo- oder heterosexuell sind. „Bedenken“ äußerte zum Beispiel die Präsidentin des italienischen Abgeordnetenhauses, die im Jahr 2013 auf der Liste der Vendola-Partei gewählte Laura Boldrini. Sie machte geltend, dass es oft genug arme Frauen aus der Dritten Welt seien, die für gut situierte Kundschaft den Kinderwunsch erfüllten. Vendola wehrt sich: Die leibliche Mutter von Tobia gehöre von nun an „zur Familie“. Und er selbst wahrscheinlich bald auch: Selbst wenn eine verbindliche gesetzliche Grundlage fehlt, sprechen Italiens Gerichte auch für homosexuelle Paare oft genug die Stiefkindadoption aus. 2 Mar 2016 ## AUTOREN (DIR) Michael Braun ## TAGS (DIR) Italien (DIR) Homosexualität (DIR) Adoption (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten (DIR) Leihmutter (DIR) Indien (DIR) Indien (DIR) Väterrecht (DIR) Italien (DIR) Familie (DIR) Italien (DIR) Italien (DIR) Rom (DIR) Italien ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Leihmutter-Elternschaft aus USA nicht anerkannt: Eltern dürfen nicht Eltern sein Sich gegen Geld im Ausland ein Kind austragen zu lassen, verstößt gegen deutsches Recht, urteilt das Oberlandesgericht Braunschweig. (DIR) Leihmutterschaft in Indien: Aus für Babies „made in India“ Leihmutterschaft ist in Indien ein Milliardengeschäft. Jetzt will die indische Regierung das kommerzielle Kinderaustragen verbieten. (DIR) Indisches Gesetz gegen Leihmutterschaft: Keine Babys mehr aus Indien Indien ist bei Ausländern mit Kinderwunsch beliebt. Die Regierung plant ein Verbot der Leihmutterschaft für Ausländer, Ledige und Homosexuelle. (DIR) Debatte Rolle der Väter: Volle Teilhabe an elterlicher Sorge Kinder sollten von Mutter und Vater gleichermaßen betreut werden. Das hat der Europarat beschlossen. Deutschland ist noch nicht soweit. (DIR) Verfassungsreform in Italien: Stabile Regierungen, bessere Gesetze Das Parlament verabschiedet die Verfassungsreform. Regierungschef Matteo Renzi verbucht einen Erfolg. Und spekuliert auf viel mehr Macht (DIR) Jochen König über Elternschaft: „Mit Vätern kann ich kaum reden“ Seine Tochter Fritzi nennt ihn Mama und Papa. Das ist ungewöhnlich. Aber Jochen König fand das gut. Mit den Zweimonatspapis kann er nichts anfangen. (DIR) Homo-Ehe light in Italien: Sieg der Katholiken Italiens Senat stimmt für die Lebenspartnerschaft. Doch das bedeutet keine Gleichstellung mit Hetero-Paaren. Eine Stiefkindadoption gibt es nicht. (DIR) Kommentar LGBT in Italien: Der Trick mit dem Gewissen Seit 30 Jahren streitet Italiens Parlament über die Rechte von Schwulen und Lesben. Es könnte einen Durchbruch geben. Aber es gibt neue Widerstände. (DIR) Großdemonstration in Rom: Zehntausende gegen Ehe für alle Sie nannten es „Family Day“ und demonstrierten gegen die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Auch ein Minister kam in den Circus Maximus. (DIR) Sexualmoral in Italien: Verliebt, verlobt, verheiratet In Italien wird ab nächster Woche über die Homo-Ehe abgestimmt. Das Thema ist äußerst heikel – so wie alles, was irgendwie mit Sex zu tun hat.