# taz.de -- Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Rückenwind für Günther
       
       > Auf den letzten Metern wird es spannend: Der CDU-Spitzenkandidat holt
       > auf. Das SPD-Duo agiert mit verteilten Rollen.
       
 (IMG) Bild: Dreimal Strahlemann: Wahlkampf in Ratzeburg
       
       KIEL taz | [1][Ministerpräsident Torsten Albig] (SPD) hat anstrengende
       Wochen hinter sich. Ganz Schleswig-Holstein hat er doppelt und dreifach
       bereist, seine Politik beworben, erklärt, verteidigt. Der Sozialdemokrat
       hat alles gegeben, damit seine Partei am Sonntag die drei Wahlziele
       erreicht: stärkste Kraft werden, die Regierungskoalition – aus SPD, Grünen
       und der dänischen Minderheitenpartei SSW (Südschleswigscher Wählerverband)
       – verteidigen und die AfD aus dem Kieler Landeshaus heraushalten.
       
       Um Letzteres kümmert sich die AfD in altbewährter Manier durch interne
       Streitigkeiten selbst; das parteiinterne Landesschiedsgericht hat die Wahl
       des Landesvorstands vom April 2016 gerade für unwirksam erklärt. Bei
       nächster Gelegenheit soll nun neu abgestimmt werden.
       
       Das Team des AfD-Spitzenkandidaten Jörg Nobis, der aufgrund des Urteils nur
       ein kommissarischer Vorsitzender ist, will noch vor das
       Bundesschiedsgericht ziehen. Der Konflikt könnte Nobis entscheidende Punkte
       kosten. Zuletzt lag die AfD in Umfragen bei 6 Prozent.
       
       Um die beiden anderen Wahlziele müssen die Sozialdemokraten sich selbst
       kümmern – und bangen dabei gerade kräftig. In den jüngsten Umfragen zog die
       CDU an der SPD vorbei, die Regierungskoalition wackelt.
       
       ## Windkraft, Bildung, Infrastruktur
       
       Was ist passiert? Im Wesentlichen dreierlei: CDU-Herausforderer Daniel
       Günther hat einen lebendigen Wahlkampf geführt und [2][dabei viel
       versprochen]: neue Windkraftpläne, neue Bildungspolitik (G9 statt G8),
       raschere Infrastrukturmaßnahmen.
       
       Zwar ist der sozialdemokratische Ministerpräsident Albig immer noch
       bekannter und populärer, aber der 43-jährige Günther wirkt bei seinen
       Auftritten meist faktensicher und selbstbewusst, auch beim einzigen
       TV-Duell vor anderthalb Wochen. Da warf ihm die Gewerkschafterin Gabi
       Schwohn vor laufenden Kameras vor, Günther habe sie [3][mal
       „Verdi-Schlampe“ genannt]. Günther bestritt dies in der Sendung
       glaubwürdig. Danach kam raus, dass Schwohn auch im Flensburger
       SPD-Kreisvorstand sitzt und die Beleidigung wohl nur über Dritte erfahren
       hat. Ein gefundenes Fressen für Günther, der sich als Kampagnen-Opfer
       inszenierte und eine Entschuldigung von der SPD-Spitze forderte.
       
       Plötzlich standen Albig und SPD-Landeschef Ralf Stegner in der öffentlichen
       Wahrnehmung am Pranger, die Beleidigung selbst spielte keine Rolle mehr.
       Schwohn, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, schweigt zu
       der Causa.
       
       Vieles richtig gemacht hat der CDU-Spitzenkandidat offenbar bei seiner
       inhaltlichen Themenwahl. Immer wieder prangerte er die Mängel in
       Infrastruktur und Bildung des Bundeslands an: Autobahnen und Bundesstraßen
       würden zu langsam gebaut, Bundesmittel nicht abgerufen, Schulen verfallen.
       
       ## Rein rechtlich alles windfest
       
       Überhaupt: die Schulen. 2008 war die CDU noch für das daraufhin eingeführte
       Abitur nach acht Jahren (G8), nun fordert Günther plötzlich reine
       G9-Gymnasien. Albig plädiert für den Status quo. Derzeit bieten 84 von 99
       Gymnasien G8 an, 11 G9 und an 4 Schulen ist beides möglich. Diese Debatte
       zeigt wie keine andere: Auf der einen Seite steht Albig, der für einen auf
       Pragmatismus und Sachlichkeit beruhenden Kurs wirbt, auf der anderen
       Günther, der den großen Reformer gibt.
       
       Klar, dass die CDU einen härteren Kurs gegen Flüchtlinge fahren will,
       „konsequenter abschieben“, fordert Günter – natürlich auch nach
       Afghanistan. Albig lehnt dies weiter entschieden ab, selbst wenn ihn dafür
       die SPD-Kollegen Martin Schulz und Sigmar Gabriel kritisieren.
       
       Auf dem Land, dem traditionellen CDU-Terrain, kann Günther damit punkten,
       die Windkraftpläne zu kippen. Dörfler und Initiativen beklagen vor allem zu
       geringe Abstände zu Wohngebieten. Das hat Günther dankend aufgegriffen,
       verspricht Veränderungen, obwohl rein rechtlich alles windfest ist. Auch
       politisch wäre dies eine schwere Mission: Wenn die CDU regieren will, muss
       sie fast zwangsläufig auf eine Jamaika-Koalition setzen. Ein Zweier-Bündnis
       mit der FDP gilt nicht als mehrheitsfähig. Ob die Grünen mit
       Landwirtschaftsminister Robert Habeck auf ihrem Kernfeld kompromissbereit
       sind, scheint aber äußerst fraglich. Kurz vor Wahlkampfende erklärt Günther
       dennoch: „Ich habe mit Robert Habeck geschnackt, da sehe ich für mich keine
       großen Hindernisse.“
       
       ## Die Rolle des großen Zampano
       
       Während Günther den großen Zampano spielen kann, liegt Albig diese Rolle
       nicht so recht. Stegner, gegen den er 2012 den parteiinternen Machtkampf um
       die Spitzenkandidatur gewonnen hatte, reitet die Attacken gegen die
       Konkurrenz, Stegner liefert die provokanten und zitierfähigen Sätze.
       
       Die Rollenverteilung zwischen dem pragmatischen Regierungschef und dem
       „roten Rambo“ ist gewollt. „Wir sind darauf angewiesen, dass die
       Arbeitsteilung funktioniert“, sagt Bettina Hagedorn, Stegners
       Stellvertreterin der SPD und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl im
       September.
       
       Stegner soll die Ortsvereine in Kampflaune halten – und das macht er, wenn
       er über die Konservativen ablästert wie über einen verwesenden Hering. Sein
       Mundwinkelspiel erreicht Rekordtiefen, der Blick wird grimmig. „Die bringen
       neues Chaos für die Schulen“, wettert er. Oder: „Die einzige Rettung für
       die CDU ist, dass sie in der Opposition bleibt.“ Die einzige Hoffnung für
       Schleswig-Holsteins SPD dürfte es sein, dass die Taktik der beiden
       Spitzenleute im Endspurt aufgeht: „Es geht nur mit beiden gemeinsam“, sagt
       Hagedorn.
       
       Oder auch nicht.
       
       5 May 2017
       
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