# taz.de -- Dilemma beim Kirchentag: Der wundersame Gläubigenschwund
       
       > Der Schlussgottesdienst in Wittenberg sollte der Höhepunkt des
       > Kirchentags werden – mit 150.000 Besuchern. Das wird wohl nichts.
       
 (IMG) Bild: Die christlichen Pfadfinder sind los – aber ob sie es von Berlin auch nach Wittenberg schaffen?
       
       Schon vor dem offiziellen Beginn [1][des Deutschen Evangelischen
       Kirchentags] in Berlin und Wittenberg droht einem geplanten Höhepunkt des
       [2][großen Christentreffens] eine ziemliche Pleite: Wie Stephan Menzel,
       Leiter Finanzen und Controlling des Kirchentag-Kollegiums, mitteilte, ist
       bisher nur eine vierstellige Zahl an Tickets der Bahn für die Fahrt zum
       Abschlussgottesdienst in Wittenberg am Sonntag dieser Woche gebucht worden.
       Das spricht dafür, dass diese „größte Feier“ des Kirchentags, wie sie auf
       der Homepage angekündigt wird, viel weniger Menschen anlocken wird, als
       vorhergesehen.
       
       Ursprünglich hatten die Kirchentagsorganisatoren hinter vor gehaltener Hand
       auf bis zu 150.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Festgottesdienst
       gehofft, aber die Zahl in den vergangenen Monaten vorsichtig immer weiter
       nach unten korrigiert. Zuletzt war die Zahl von etwa 100.000
       Gottesdienstbesucher in Wittenberg gestreut worden. Zu diesem
       Festgottesdienst sollten am Sonntag Vormittag über Stunden extra von der
       Bahn bereit gestellte ICEs in Zehn-Minuten-Takt in die
       sachsen-anhaltinische Lutherstadt fahren.
       
       Nun sieht es danach aus, dass der Elbwiese vor den Toren der Stadt – mit
       Blick auf die historische Schloss- und Stadtkirche – zum großen Teil leer
       bleibt. Geplant war auch, dass schon am Samstag die ersten Gäste anreisen,
       auf der Elbwiese unter freiem Himmel übernachten und zum Sonnenuntergang
       mit den Brüdern aus Taizé eine „Nacht der Lichter“ feiern.
       
       Ellen Ueberschär, die Generalsekretärin des Kirchentags, unterstrich bei
       der Eröffnungspressekonferenz des Kirchentags am Mittwoch Mittag angesichts
       der sehr geringen Buchungen für die Anfahrt nach Wittenberg, ein
       Gottesdienst „kann gar nicht floppen“. Sie verwies zudem darauf, dass auch
       viele Besucherinnen und Besucher des Festgottesdienstes noch mit Bussen
       oder auf anderem Wege anreisen könnten. Es gebe keinen Grund, das Konzept
       für diesen Gottesdienst zu verändern. Es werde so oder so „ein Happening“.
       
       ## Obama kommt aber
       
       Vor dem offiziellen Beginn des Kirchentags am Mittwoch Abend in der
       Hauptstadt sagte Ueberschär vor [3][dem Hintergrund des Terroranschlags in
       Manchester] in der Nacht zu Dienstag: „Wir sind Manchester.“ Der Kirchentag
       biete Orte, an denen der Zorn auf die Täter und die Klage über die Opfer
       gehört werde. Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au sagte, sie sei
       „fassungslos und wütend“ angesichts des Anschlags.
       
       Es könne auch auf dem Kirchentag keine „absolute Sicherheit“ geben. Stephan
       Menzel ergänzte, es gebe für den Kirchentag, zu dem sich über 100.000
       Dauergäste angemeldet haben, weiterhin „ein gutes Verkehrs- und
       Sicherheitskonzept“. Die bereits schon enge Zusammenarbeit mit der Polizei
       sei nach dem Anschlag noch vertieft worden. Es gebe eine „erhöhte
       Sicherheitssituation“, aber die Lage sei ruhig.
       
       Am Donnerstag morgen ist der gemeinsame Auftritt von Bundeskanzlerin Angela
       Merkel mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama vor dem Brandenburger
       Tor geplant. Nach Auskunft von Ellen Ueberschär wurde dieser Auftritt
       Obamas gerade dort geplant, weil die Sicherheitsvorkehrungen sonst dem
       Hauptort des Kirchentags, die Hallen der Berliner Messe, zu stark blockiert
       hätten. Die ursprüngliche Idee, dass Obama auf dem Festgottesdienst in
       Wittenberg spricht, sei fallen gelassen worden, da der frühere Präsident an
       diesem Tag keine Zeit gehabt habe.
       
       Christina Aus der Au widersprach auch dem in Berlin kursierenden Gerücht,
       das Kanzleramt habe angesichts der Bundestagswahl im Herbst darum gebeten,
       dass Obama in Berlin mit Angela Merkel auftrete. Ellen Ueberschär sagte
       vielmehr, Angela Merkel habe sich überrascht gezeigt, dass Obama mit ihr
       habe sprechen wollen – wie es jetzt auch geplant ist.
       
       24 May 2017
       
       ## LINKS
       
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