# taz.de -- taz-Serie Der Zuckerberg | Teil 2: „Freunde“ von „Freunden“
       
       > Alte „Ausländer raus“-Lieder in frischer Tonart. Braune Worthülsen
       > everywhere. Was geht denn in der Facebook-Gemeinde unseres Autors ab?
       
 (IMG) Bild: Freunde? Feinde? Auf Facebook ist das nicht so ganz klar
       
       Nach über einem Monat habe ich mich noch immer nicht beruhigt. Was geht
       denn in meiner kleinen Facebook-Gemeinde ab? Sicher, die andere Meinung ist
       ein lästiges Insekt, das doch die gleiche Existenzberechtigung besitzt wie
       die eigene. Nur, wo hört per Definition „die andere Meinung“ auf und wo
       fängt „der absolute Müll“ an? Schwierig zu beantworten. Nicht zuletzt, da
       der absolute Müll sich gerne mit dem weißen Pelz der anderen Meinung tarnt.
       
       „… Dann mal ab nach Hause ins Land der Todesstrafe mit Diktator … damit sie
       auch fühlen, was sie gewählt haben …“ So und ähnlich kommentierte nach dem
       Referendum in der Türkei das gesunde Volksempfinden die Pose zweier
       turko-bajuwarischer Mädchen für Erdoğan. Das gute alte „Ausländer
       raus“-Lied wird nun in einer frischen Tonart abgespielt – in Demokratie-Dur
       und für die gute und gerechte Sache –, als hätten die auch für diese
       Version benötigten, braunen Worthülsen jahrelang im Gesinnungskeller bereit
       gelegen, um im geeigneten Moment hervorgeholt zu werden.
       
       Hier Geborene will man also „nach Hause“ schicken, womit man das
       Herkunftsland ihrer Großeltern meint. Wollte man jeden Bürger, der mal eine
       bescheuerte Entscheidung getroffen hat, aus dem Land entfernen, würden hier
       bald nur noch Wisente und Auerochsen durch menschenleere Wälder ziehen.
       Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht.
       
       Und das sind bloß die „Friends“, um mal aufzuzeigen, dass das Wort so wenig
       mit „Freund“ zu tun hat wie ein „Fuck you!“ mit einer unvergesslichen
       Nacht. Noch schlimmer wird es dann mit der Kategorie „Freunde von
       Freunden“, deren Quark ich vor allem bei Kollegen bewundern darf, die
       wirklich jede wildfremde Anfrage annehmen. Wer solche Freunde von Freunden
       hat, braucht keine Feinde von Feinden mehr.
       
       ## Eingeübter Dünnpfiff
       
       Es klingt wie ein Tocotronic-Song: „Freunde von Freunden/haben mir
       gesagt/das meine Falschbemeinigung/an ihrer Seele nagt … (kraftvoll
       klagendes Mundharmonika-Solo)“. Gern sitzen Freunde von Freunden in ihren
       urweißen oder arisch gentrifizierten Ostzonen, allenfalls ein einsamer
       Dönermann hält dort die Fahne des Orients hoch, und dennoch oder gerade
       deshalb posten sie wie Durchfall unaufhörlich und zugleich immer dünner
       werdend, ihre „Bedenken“ gegenüber „dem Islam“, wenn sie eigentlich
       „Kanaken“ meinen.
       
       Und der in sozialen Medien eingeübte Dünnpfiff schwappt aus den
       Kommentarspalten nun sogar zurück ins Real Life und vergiftet auch noch
       analoge Unterhaltungen. Gleich hinter der ehemaligen Berliner Mauer fängt
       das geistige Dresden an. Beim Anblick jedes Kopftuchs, jedes Regencapes und
       jeder im Hof abgestellten Mülltüte faseln viele schon von „Burkas“ – Grüße
       aus Burkina Fasel.
       
       Wir erinnern uns: Als 1989 Wirtschaftsflüchtlinge in Jeansjacken Kreuzberg
       überfluteten, maulten nicht wenige von ihnen als erstes über die „urst
       vielen Ausländer“, dabei waren doch sie selbst die Fremden. Und diese
       völkische Haltung verkauft sich neuerdings als linkes Statement. Heil
       Wagenknecht. Gefällt mir nicht mehr.
       
       30 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Der Zuckerberg
 (DIR) Schwerpunkt Facebook
 (DIR) Hasskommentare
 (DIR) Lesestück Meinung und Analyse
 (DIR) Der Zuckerberg
 (DIR) Der Zuckerberg
 (DIR) Schwerpunkt Facebook
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Facebook
 (DIR) Schwerpunkt Facebook
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ewiges Gedächtnis von Facebook: Ein Gefühl der Ohnmacht
       
       Kein Vergessen: Bilder, die unsere Autorin in ihrer Jugend veröffentlicht
       hat, bleiben für immer verfügbar. Sie hat keinen Einfluss auf ihre Daten.
       
 (DIR) taz-Serie Der Zuckerberg | Teil 4: Alle sehen die Pornos, die Sie gucken
       
       Was soll das? Neuerdings posten sogar kluge Köpfe im eigenen Freundeskreis
       diese geschmacklos bunten Schreitäfelchen auf Facebook.
       
 (DIR) taz-Serie Der Zuckerberg | Teil 3: Liebe und Hass
       
       So wie die Fifa das Fairplay versucht bei Facebook immer wieder der
       Humorlose den Humor zu erklären. Das ist die Beerdigung des Witzes.
       
 (DIR) Urteil zu Facebook-Nutzerkonto: Datenschutz vor Mutteranspruch
       
       Facebook muss das Nutzerkonto einer verstorbenen Tochter nicht an die
       Eltern freigeben. Das Berliner Kammergericht hebt damit ein Urteil von 2015
       auf.
       
 (DIR) Gesetz gegen Hate Speech im Netz: Ein Minister macht sich Feinde
       
       Facebook, Journalisten und Netzaktivisten vereinen sich zum Widerstand
       gegen Heiko Maas. Dem könnte diese Melange zum Verhängnis werden.
       
 (DIR) Regeln für Facebook-Beiträge: Hätte, hätte, Nettiquette
       
       Nach welchen Kriterien Zuckerbergs Netzwerk Beiträge löscht, war bisher
       unklar. Einen Eindruck liefern jetzt interne Schulungsdokumente.
       
 (DIR) taz-Serie Der Zuckerberg | Teil 1: IT-Blümchen ist jetzt bei Facebook
       
       Menschen ab Mitte 40 lassen ihr Leben bequem austrudeln. Doch Vorsicht! Wir
       werden älter. Und noch 50 Jahre bei Facebook können lang werden.