# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Prost, alter Freund
       
       > Gerade auf Reisen braucht man zuverlässige, angenehme Begleiter, auf die
       > man überall zählen kann. Wichtig ist, dass man ihre Gesellschaft
       > ernstnimmt.
       
 (IMG) Bild: In der Abenddämmerung auf Zypern
       
       Erinnerst du dich noch, wie wir uns das erste Mal begegnet sind, damals in
       Kastilien? Bedächtig stapfte der alte Mann in seinem blauen Bauernzeug den
       Hügel herab, in der einen Hand zwei Wassergläser, in der anderen dich,
       schwappend in einer halb vollen Flasche. Als er am Zelt ankam, grüßte er
       ernst und füllte die Gläser. „Vino tinto“, sagte er.
       
       Dann nahmen wir beide den ersten Schluck. Du warst schwarzviolett, schwer,
       ein wenig erdig. „Te gusta?“, fragte er, und ich sagte, ja, der Wein
       schmecke mir. Sein faltiges Gesicht leuchtete auf. Und zum ersten Mal
       verstand ich etwas von dir und den Menschen, die dich machen: Es ist nicht
       nötig, dass man ihnen erklärt, wie interessant gerade deine ausgeprägte
       Holundernote zu den feinnervigen Anklängen von Bitterschokolade wirkt. Wenn
       man es kann, umso besser. Wichtiger ist, dass man dich ernst nimmt. So
       ernst wie ein gelungenes Bild, einen geglückten Käse, eine perfekte
       Holztreppe.
       
       Seitdem sind wir uns auch auf Reisen immer wieder begegnet. Als harziger
       Retsina hast du auf der griechischen Insel Ägina den Haufen bunter Hunde
       aus aller Welt innerhalb von zwei Stunden in eine lärmende Gesellschaft
       verwandelt – gibt es ein fröhlicheres Wort als „Zechgelage“? Als fruchtiger
       Müller hast du auf der Terrasse von Meersburg um jenen Abend mit der
       Geliebten einen Goldrand gewebt. Und in den Nächten am Strand von Odiceixe,
       an den das Meer herandonnert wie eine Stampede, hast du mich als
       prickelnder Grüner namens „Vinho verde“ das große Staunen gelehrt über die
       Weite des Alls.
       
       Wie gut, dich in der Fremde immer mal zu treffen. Du bringst die Lichter
       von Sevilla zum Tanzen, zeichnest verschlossene Gesichter weich und gibst
       den Gedanken einen neuen Dreh. Und du bist es, der uns milde stimmt, wenn
       das Unbekannte sich mal wieder nicht gleich erschließen will. Abwarten!,
       flüsterst du. Gelassen bleiben!
       
       Im besten Fall bist du nicht weniger als flüssiges Glück, mein Freund – und
       eine kleine Infusion davon braucht jeder Reisende von Zeit zu Zeit.
       
       2 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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