# taz.de -- Armut unter Berufstätigen: Der Gürtel ist zu eng geschnallt
       
       > Die Zahl der Beschäftigten steigt in Deutschland weiter, ihre Löhne sind
       > aber zu niedrig. Die Zahl der Armutsgefährdeten hat sich von 2004 bis
       > 2014 verdoppelt.
       
 (IMG) Bild: Wer Arbeit hat, ist noch lange nicht vor Armut geschützt. Die Zusammenhänge sind komplexer
       
       BERLIN dpa | Immer mehr Menschen in Deutschland sind armutsgefährdet,
       obwohl sie arbeiten. Die Zahl der Berufstätigen, die unter die [1][Schwelle
       der Armutsgefährdung] fallen, habe sich zwischen 2004 und 2014 verdoppelt,
       berichtete die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag. Damit
       sei die Erwerbsarmut in der Bundesrepublik stärker gestiegen als in jedem
       anderen EU-Land.
       
       Der Anteil der 18- bis 64-jährigen Erwerbstätigen, die weniger als 60
       Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatten und damit als
       armutsgefährdet gelten, lag 2004 noch bei 4,8 Prozent. Zehn Jahre darauf
       waren es laut Studie 9,6 Prozent. In absoluten Zahlen falle das Plus sogar
       noch deutlicher aus, hieß es. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen stieg von
       39,3 auf 42,6 Millionen – 2004 waren es knapp 1,9 Millionen arbeitende
       Armutsgefährdete, 2014 fast 4,1 Millionen.
       
       „Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Beschäftigungswachstum und
       Armut komplizierter als gemeinhin angenommen“, stellen die Autoren der
       Studie fest. Das Beschäftigungswachstum in Deutschland beruhe zu einem
       großen Teil auf dem Anwachsen der Teilzeitstellen, anderer atypischer
       Beschäftigungsverhältnisse sowie des Niedriglohnsektors insgesamt. Eine
       wichtige Rolle spielt den Angaben zufolge der Druck auf Arbeitslose,
       angebotene Stellen anzunehmen.
       
       Datengrundlagen der Böckler-Studie sind die neuesten verfügbaren Zahlen aus
       der Europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und
       Lebensbedingungen und eine OECD-Datenbank. Zwischen 2004 und 2014 sei es
       demnach nur in Polen gelungen, die Beschäftigung zu erhöhen und
       gleichzeitig die Erwerbsarmut zu senken. In Österreich und der
       Tschechischen Republik gab es ähnlich wie in Deutschland einen
       Beschäftigungsanstieg, allerdings nur wenig mehr Armutsgefährdete. In den
       meisten Ländern war die Erwerbsarmut schon vor Beginn der Krise im Euroraum
       gestiegen. Im Zuge der Krise habe sich die Lage in etlichen Staaten noch
       verschärft, stellte die Hans-Böckler-Stiftung fest.
       
       Der Linken-Chef Bernd Riexinger sagte: „Deutschlands Jobwunder entpuppt
       sich beim näheren Hinsehen als Armutsfanal.“ Das sei ein Anschlag auf das
       Grundgesetz, das die Würde des Menschen für unantastbar erklärt. Ulrike
       Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, sagte: „Die Zahlen
       machen erneut deutlich, dass wir endlich eine Kehrtwende in der
       Arbeitsmarktpolitik brauchen.“ Denn aus Einkommensarmut werde später
       Altersarmut.
       
       6 Jul 2017
       
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