# taz.de -- NSU-Prozess in München: Die Schwierigkeit des Plädoyers
       
       > Dieser Verhandlungstag sollte die Schlussetappe des NSU-Prozesses
       > einleiten. Doch statt zu plädieren, wurde über Verfahrensfragen
       > gestritten.
       
 (IMG) Bild: War angereist, um die Anklage zu hören: Adile Şimşek, die Witwe des ersten Mordopfers des NSU, Enver Şimşek
       
       MÜNCHEN taz | Der 374. Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess sollte die
       Schlussetappe einleiten. In dem seit mehr als vier Jahren andauernden
       Verfahren wird über die als Rechtsterroristin angeklagte Beate Zschäpe und
       vier mutmaßliche Unterstützer verhandelt. Die Beweisaufnahme ist
       mittlerweile geschlossen, die Bundesanwaltschaft war als Anklägerin
       vorbereitet, mit dem Plädoyer zu beginnen. Die Verlesung soll insgesamt 22
       Stunden Zeit in Anspruch nehmen.
       
       Doch wie so oft in diesem Prozess über die zehn Morde des
       Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) kommt es wieder einmal anders. Zu
       Beginn des Verhandlungstages gegen 11.30 Uhr begründet der Vorsitzende
       Richter Manfred Götzl, warum ein Antrag der Verteidigung abgelehnt wird.
       Die Anwälte wollten, dass das Plädoyer der Bundesanwälte aufgezeichnet
       wird. Götzl lehnt ab, weil damit die Persönlichkeitsrechte der Ankläger
       verletzt würden.
       
       Das wiederum wollen die Verteidiger des mit angeklagten Ralf Wohlleben
       sowie jene Zschäpes so nicht stehen lassen, sie beantragen zwei Stunden
       Zeit für die Ausarbeitung eines „prozessualen Antrags“. Da zeichnet sich
       schon ab, dass dieser Tag wieder einmal durch Antragsmanöver der
       Verteidigung blockiert und es mit dem Plädoyer nichts mehr wird. Und
       tatsächlich, am Nachmittag wird der Prozess bis Dienstag kommender Woche
       unterbrochen.
       
       ## Mehrere Angehörige sind angereist
       
       Dabei sind einige Angehörige von Mordopfern des mutmaßlichen NSU-Trios
       extra angereist. Sie wollen hören, was die Anklage und damit der Staat vor
       allem Beate Zschäpe vorwirft. Adile Şimşek etwa ist gekommen, die Witwe des
       ersten NSU-Opfers Enver Şimşek. Der Blumenhändler aus Nürnberg wurde am 11.
       September 2000 an seinem mobilen Stand niedergeschossen worden. Er wurde 38
       Jahre alt.
       
       Auch Yvonne Boulagarides ist da mit ihren beiden Töchtern. Sie ist die
       Witwe von Theodoros Boulgarides. Der griechischstämmige Mann wurde am 15.
       Juni 2005 in seinem Schlüsseldienst-Laden in München ermordet. Er wurde 41
       Jahre alt. Vom Strafjustizzentrum München, wo seit mehr als vier Jahren
       verhandelt wird, bis zum Ort der Tat sind es gerade mal zweieinhalb
       Kilometer.
       
       Die Angehörigen müssen erleben, wie der Wohlleben-Anwalt Olaf Klemke
       vorträgt, dass die Angeklagten das lange mündliche Plädoyer nicht erfassen
       und nachvollziehen könnten. Zschäpes Alt-Verteidiger Wolfgang Heer streitet
       sich mit Richter Götzl, weil er eine „Anschlusserklärung“ abgeben will.
       Wieder Unterbrechung des Prozesses.
       
       In einer Pause sagt Alexander Hoffmann, ein sehr engagierter
       Nebenklageverteidiger, draußen vor dem Gerichtsgebäude, dass es seiner
       Ansicht nach „recht einfach“ wird, die Mittäterschaft von Beate Zschäpe zu
       begründen. Sie und die toten NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos
       hätten, das habe die Beweisaufnahme klar ergeben, „immer gemeinsam
       gehandelt“. Als Mittäterin drohen Zschäpe lebenslange Haft sowie die
       Anerkennung der besonderen Schwere der Schuld.
       
       Auch grüne Prominenz ist zu diesem Prozesstag angereist. Die
       Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sowie die beiden Rechtspolitiker
       Volker Beck und Konstantin von Notz finden sich im Gericht am Stiglmaier
       Platz ein. Roth spricht davon, dass jetzt und an diesem Ort „ein Teil
       deutscher Geschichte“ geschrieben werde. Ein Besucher kommt auf sie zu und
       dankt für die Arbeit der Grünen gegen Rechtsextremismus. Roth strahlt. Als
       sich Stunde um Stunde nichts tut in dem Verfahren, meint Volker Beck beim
       Hinausgehen: „Der Rechtsstaat ist auch ein anstrengender Staat.“
       
       19 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Guyton
       
       ## TAGS
       
 (DIR) NSU-Prozess
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Beate Zschäpe
 (DIR) Grüne Schleswig-Holstein
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) NSU-Prozess
 (DIR) NSU-Prozess
 (DIR) Hessen
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Grüner Innenpolitiker von Notz: „Die Große Koalition ist saubequem“
       
       Vor der Bundestagswahl spricht Konstantin von Notz, grüner Innenpolitiker
       aus Schleswig-Holstein, über Jamaika und Große Koalition, G20 und
       alternative Sicherheitspolitik
       
 (DIR) Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess: „Die Täter sitzen hier“
       
       Die Bundesanwaltschaft lässt in ihren Plädoyers keinen Zweifel: Beate
       Zschäpe und die vier Mitangeklagten sind verantwortlich für den NSU-Terror.
       
 (DIR) Plädoyers im NSU-Prozess: Verurteilung Zschäpes gefordert
       
       Nach mehr als vier Jahren ist der NSU-Prozess beinahe zuende. Es werden die
       Plädoyers gehalten. Die Bundesanwaltschaft sieht Zschäpe als Mittäterin an.
       
 (DIR) Schlussphase des NSU-Prozesses: 373 Tage – und bald ein Ende?
       
       Am Mittwoch tritt der NSU-Prozess mit den Plädoyers nach gut vier Jahren in
       seine Schlussphase. Diese dürfte aber auch noch Wochen dauern.
       
 (DIR) NSU-Prozess in München: Plädoyers beginnen am Mittwoch
       
       Die Beweisaufnahme ist beendet. Mehr als vier Jahre dauerte sie im
       Terrorverfahren gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Unterstützer.
       
 (DIR) NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe: Gericht lehnt Sachverständigen ab
       
       Er verglich das Verfahren mit einer „Hexenverbrennung“, vor der man Zschäpe
       schützen müsse. Das Gericht urteilt nun, der Psychiater sei befangen.
       
 (DIR) Kommentar Geheimhaltungsfrist beim VS: NSU-Bericht bleibt 120 Jahre geheim
       
       Bis ins Jahr 2134 ist ein Bericht des Verfassungsschutzes über hessische
       NSU-Kontakte als geheim eingestuft. Das ist das Gegenteil von Aufklärung.
       
 (DIR) Petition der Woche: Berliner NSU-Verflechtungen
       
       Die Spur der Rechtsextremen führt auch nach Berlin. Dort gibt es bislang
       keinen Untersuchungsausschuss. Aktivisten möchten das ändern.