# taz.de -- Nachrichten-App „ByLock“ in der Türkei: Verdachtsmoment Messenger
       
       > Immer mehr Menschen in der Türkei werden verhaftet, weil sie über die App
       > „ByLock“ kommunizieren. Was steckt dahinter?
       
 (IMG) Bild: „Cumhuriyet“-AutorInnen stehen vor Gericht
       
       Der häufigste Vorwurf bei Festnahmen im Zusammenhang mit dem Putschversuch
       in der Türkei im vergangenen Jahr ist die Nutzung der Messenger-App ByLock.
       Der jüngste Prozess gegen JournalistInnen der Tageszeitung Cumhuriyet
       zeigt, wie dieser Vorwurf zu einem Instrument der Regierung geworden ist.
       So steht der Cumhuriyet-Autor Kadri Gürsel wegen „Kontakts zu Personen, die
       ByLock verwendet haben“ vor Gericht. Warum aber wird die Nutzung der
       Nachrichten-App als Straftat geahndet?
       
       Aus Sicht des türkischen Geheimdienstes (MIT) wird die App, die vor dem
       Putschversuch kaum bekannt war, hauptsächlich von Mitgliedern der
       Gülen-Bewegung verwendet.ByLock ermöglicht verschlüsselte Kommunikation.
       
       Der Nachrichtendienst war das erste Mal im Jahr 2014 als App über Google
       Play und Apple Store verfügbar. Laut MIT ist die App seither von 600.000
       Nutzern heruntergeladen worden, vorwiegend in der Türkei, in Saudi-Arabien
       und dem Iran.
       
       Lizenzinhaber der App ist der US-Amerikaner türkischer Herkunft, [1][David
       Keynes]. Keynes äußerte 2016 gegenüber Hürriyet, die Software sei von einem
       Gülenisten unter Pseudonym entwickelt worden und habe ursprünglich in
       Silicon Valley verkauft werden sollen. Allerdings sei die Software nach und
       nach für die alltägliche Kommunikation unter Gülenisten verwendet worden,
       wie zum Beispiel das Senden von Gebeten.
       
       Gegen Journalist İsmail Saymaz, der Keynes für Hürriyet interviewt hatte,
       wurde nach Erscheinen des Artikels ein Ermittlungsverfahren wegen
       „Verharmlosung und Reinwaschung“ der „Terrorsoftware“ eröffnet.
       
       ## Fragwürdiges Indiz
       
       Auch Fatih Yağmurs Name taucht auf diversen, nicht immer deckungsgleichen
       Listen des Geheimdienstes auf, die als „Liste der ByLock-Nutzer“ Gegenstand
       diverser Nachrichten wurden. Yağmur, ehemaliger Redakteur der Zeitung
       Radikal, geriet deswegen nach dem Putschversuch in die Schlagzeilen. Vor
       Kurzem gab er zu, den ByLock verwendet zu haben.
       
       „Für Gerichtsreporter sind Staatsanwälte, Richter, Anwälte und
       Sicherheitsleute wichtige Quellen“, so Yağmur im Gespräch mit taz.gazete.
       „Da gewöhnliche Kommunikationswege abgehört werden, nutzt man die von der
       Quelle als sinnhaft erachtete Verschlüsselungssoftware. Vor ByLock habe ich
       Dienste wie Skype, Viber oder Line verwendet.“
       
       Dass es sich um eine zweifelhafte Software handeln könnte, will Yağmur
       nicht gewusst haben. Etliche Journalisten, die heute für regierungsnahe
       Medien arbeiten, hätten ihm damals die Nutzung der Software empfohlen.
       
       Wie gefährlich die Terroristenjagd unter dem Vorwurf der ByLock-Nutzung
       sein kann, zeigen einzelne Fälle, die in den vergangenen Wochen in der
       Presse bekannt wurden. In Aksaray wurde eine ältere Dame während ihres
       Einkaufs auf dem Wochenmarkt verhaftet. Es stellte sich heraus, dass die
       Ehefrau ihre Sohnes die Software auf das Telefon ihrer Schwiegermutter
       geladen hatte.
       
       Übersetzung: Canset İçpınar
       
       13 Aug 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.hurriyetdailynews.com/bylock-use-is-an-evidence-of-gulen-network-links-owner.aspx?PageID=238&NID=105284&NewsCatID=509
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ali Celikkan
       
       ## TAGS
       
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