# taz.de -- Freispruch nach Anti-Nazi-Blockade: Berliner Antifa-Aktivist bleibt frei
       
       > Er soll 2011 zum Durchbruch einer Polizeikette aufgerufen haben. Jetzt
       > wird der nicht vorbestrafte Familienvater Tim H. freigesprochen.
       
 (IMG) Bild: Gegen diesen gruseligen Aufmarsch von Neonazis hatte Tim H. 2011 demonstriert
       
       DRESDEN taz | Am Ende kommt es vor dem Gebäude des Sächsischen
       Oberlandesgerichtes in Dresden noch zu einem versöhnlichen Händedruck
       zwischen Staatsanwalt Stefan Henke und dem nun nicht mehr Angeklagten Tim
       H. aus Berlin. Der gibt ihm sogar gute Wünsche mit. „Auch gut, dass das
       alles nun vorüber ist“, war es dem Staatsanwalt zuvor schon
       herausgerutscht.
       
       Nach nur 48 Minuten Verhandlungsdauer verwarf das Oberlandesgericht am
       Montag die Revision gegen den vierzigjährigen Tim H. [1][Es war das vierte
       Verfahren], in dem sich der Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der
       Linken wegen Landfriedensbruchs und angeblicher Rädelsführerschaft bei den
       Krawallen um den Naziaufmarsch in Dresden im Februar 2011 verantworten
       musste. Nun ist er endgültig rehabilitiert.
       
       Der Missbrauch des Dresdner Zerstörungsgedenkens durch Tausende Rechte aus
       ganz Europa provozierte seit 2008 auch massive Gegendemonstrationen. Die
       Verwüstungen vom 19. Februar 2011 durch Linksautonome waren erheblich,
       beförderten aber auch einen Konsens in der Stadt, die über den Umgang mit
       den Rechten zerstritten war. In den Folgejahren gelang nach und nach eine
       Marginalisierung der Nazi-Kundgebungen.
       
       Tim H. wurde vorgeworfen, per Megafon zum Durchbruch einer Polizeisperre
       aufgefordert und dabei einen Beamten als „Nazischwein“ beschimpft zu haben.
       Sein angeblicher Ruf „Kommt nach vorn“ wurde zum Motto einer
       Solidaritätsbewegung. Im Januar 2013 verurteilte das Amtsgericht Dresden
       den vermeintlichen Rädelsführer wegen schweren Landfriedensbruchs zu einer
       Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung. Überregionale
       Proteste und eine Berufung sowohl seitens der Staatsanwaltschaft als auch
       der Verteidigung waren die Folge, die im Januar 2015 am Landgericht
       verhandelt wurde.
       
       ## Keine Schuldbeweise
       
       Der Angeklagte wurde damals vom Vorwurf des Landfriedensbruchs
       freigesprochen, sollte aber 90 Tagessätze zu 45 Euro Geldstrafe wegen
       Beamtenbeleidigung zahlen. Eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung
       spielte die Würdigung der teils willkürlich zusammengeschnittenen
       Polizeivideos, die Verteidiger Sven Richwin als „manipuliert“ bezeichnete.
       Auf den Filmen waren mehrere Menschen mit Megafonen zu erkennen, Rufe nicht
       eindeutig zuzuordnen. Offenbar fiel Tim H. wegen seiner Körpergröße
       besonders auf.
       
       Die Staatsanwaltschaft aber legte hartnäckig erneut Revision ein und
       gewinnt. In der nächsten Runde aber wird Tim H. im Januar 2017 erneut
       freigesprochen. Videos, ein Stimmgutachten und Zeugen können wiederum keine
       Schuldbeweise erbringen. Auch die Geldstrafe wegen Beleidigung wird fallen
       gelassen, weil der Strafantrag des Düsseldorfer Polizeipräsidiums, dem die
       eingesetzten Polizisten unterstellt waren, 2011 nicht fristgerecht einging.
       
       Wenn man am Montag den Staatsanwalt Henke erlebte, fragt man sich, warum
       die sächsische Generalstaatsanwaltschaft sich auch mit diesem Urteil nicht
       abfinden wollte. Nach sechs Jahren ist es das letzte schwebende Verfahren
       gegen mögliche Gewalttäter von 2011, von denen nur sehr wenige bestraft
       werden konnten. Spektakulär scheiterte der Prozess gegen den Jenaer
       Jugendpfarrer Lothar König wegen ähnlicher Vorwürfe. Das Verfahren gegen
       Tim H. erregte auch deshalb Aufsehen, weil er in der Bundesgeschäftsstelle
       der Linken arbeitet. Der Senat des Oberlandesgerichtes machte nun im
       wahrsten Wortsinn kurzen Prozess.
       
       Schon in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft hatte der Vorsitzende
       Werner Stotz angedeutet, was er in der Urteilsbegründung wiederholte. Das
       Landgerichtsurteil aus dem Vorjahr sei „geradezu mustergültig“,
       Rechtsfehler nicht feststellbar, und Zweifel dürften nicht zulasten des
       Angeklagten gehen. Tim H. bedankte sich gegenüber der taz bei Unterstützern
       und Spendern, die rund 10.000 Euro Verfahrenskosten auffingen. Von einer
       Vorverurteilung, davon, „dass immer etwas hängen bleibt“, habe er
       glücklicherweise nichts gespürt. Den Ehrgeiz der Dresdner
       Staatsanwaltschaft bezeichnete er als „politisches Manöver“.
       
       14 Aug 2017
       
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