# taz.de -- Prognosesoftware für Einbrüche: Drah di net um …
       
       > … der Kommissar geht um. Durch sogenannte vorausschauende Polizeiarbeit
       > sollen Verbrechen verhindert werden.
       
 (IMG) Bild: Statistisch ist kaum messbar, ob die Precop-Software erfolgreich ist
       
       FREIBURG taz | In einem Werbespot der Firma IBM wartet der Polizist lässig
       vor dem Laden, der gleich überfallen werden soll. Als der Räuber dann kommt
       und die Lage erkennt, dreht er resigniert wieder ab.
       
       Ganz so effizient ist Predictive Policing in der Praxis noch nicht, wie
       jetzt das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales
       Strafrecht (MPI) herausfand. Der Einsatz von Prognosesoftware bei der
       Polizei könne zwar sinnvoll sein, sei aber kein Wundermittel, so das
       Ergebnis der Untersuchung von „vorausschauender Polizeiarbeit“.
       
       Seit Ende 2015 testet Baden-Württemberg die Software „Precobs“;
       Pilotgebiete sind die Polizeipräsidien Stuttgart und Karlsruhe. Evaluiert
       wurde der Versuch von dem Freiburger MPI-Kriminologen Dominik Gerstner.
       
       Die Precobs-Software dient in diesem Versuch ausschließlich der Prognose
       zukünftiger Wohnungseinbrüche. Sie beruht auf der Annahme, dass
       Profiserieneinbrecher binnen sieben Tagen im Umkreis von 500 Metern erneut
       zuschlagen werden. Kriminologen sprechen von „nahen Folgefällen“. So deutet
       es auf einen Profi hin, wenn der Täter die Terrassentür ausgehebelt und
       Schmuck gestohlen hat. Wenn der Einbrecher dagegen die Scheibe einschlug,
       sich am Kühlschrank bediente und den Fernseher mitnahm, wird kein Alarm
       ausgelöst, denn dann erwartet die Software keine Einbruchsserie.
       
       Im Alarmfall zeigt die Polizei in der Gegend verstärkt Präsenz. Im Schnitt
       führt ein Alarm zu 48 Einsatzstunden. Dabei werden von den Polizisten
       durchschnittlich 9 Autos und 16 Personen kontrolliert. Außerdem werden
       Anwohner darauf angesprochen, dass sie zum Beispiel ihre Terrassentür
       sichern sollen. Das konkrete Vorgehen der Polizei steuert nicht mehr
       Precobs, sondern entscheiden erfahrene Polizisten. Ziel: die Täter nicht
       auf frischer Tat zu ertappen, sondern vom Einbruch überhaupt abzuhalten.
       
       ## Statistisch schwer zu messen
       
       „Die Wirkung des Predictive Policing ist schwer zu messen“, erklärte
       MPI-Kriminologe Gerstner. In Stuttgart sank während des Versuchs zwar die
       Zahl der Einbrüche, aber einen ähnlichen Rückgang gab es im Vorjahr auch
       schon ohne Precobs. In Karlsruhe nahmen die Einbrüche im Versuchszeitraum
       sogar zu, trotz Precobs. Die Sache ist verzwickt: Wenn es nach einer
       Prognose zum Einbruch kommt, dann hat die Software richtig prognostiziert.
       Aber ist das nun ein Erfolg?
       
       Der MPI-Experte kam nach komplizierten statistischen Auswertungen zu dem
       Schluss: Es gibt wohl eine gewisse kriminalitätsmindernde Wirkung, aber der
       Effekt ist eher schwach. Vielleicht führt die erhöhte Polizeipräsenz in den
       Alarmgebieten auch nur dazu, dass die Einbrecher nun zeitweise ins
       Nachbarviertel ausweichen? Dazu kann Gerstner anhand seiner Daten keine
       Aussagen machen.
       
       Außer in Baden-Württemberg experimentiert auch schon die Polizei in Bayern,
       Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin mit dem Modell. Die anderen
       Bundesländer denken darüber nach.
       
       3 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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