# taz.de -- Berliner Kulturpolitik: Ein wahrer Goldregen
       
       > Der Kulturetat 2018/19 steigt in einer Weise, von der Berlin bislang nur
       > träumen konnte. Sogar einen großen neuen Topf für Festivals wird es
       > geben.
       
 (IMG) Bild: Das Jazz-Funk Duo „Palme/Wagner“ spielt im Rahmen der Fête de la Musique 2017 in Berlin
       
       Leicht hatte es Berlins neuer Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bislang
       nicht. Bereits einen Tag nach den Koalitionsverhandlungen eckte er an. Die
       Stadtgesellschaft hatte sich gerade mal ein bisschen im Theaterkampf um
       Volksbühnen-Chef Frank Castorf und seinen von oben verordneten Nachfolger
       Chris Dercon beruhigt – und prompt kündigte Lederer an, er wolle den Fall
       noch einmal „prüfen“. Überhaupt hat Lederer viele Leichen aus dem Keller zu
       holen, denn Berlin hat in den letzten Jahrzehnten seine Kultur nicht mit
       Glacéhandschuhen angefasst.
       
       Trotz der Übergabe einer von 40.000 Menschen unterschriebenen Petition für
       den Erhalt der „alten“ Berliner Volksbühne als Repertoire- und
       Ensembletheater wirkt der Senator bei der Präsentation des ersten
       Kulturhaushalts unter seiner Regie geradezu siegessicher. Er ist in der
       glücklichen Lage, bei der Lesung des Doppelhaushalts 2016/17 am Montag im
       Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses nackte Zahlen für sich sprechen zu
       lassen.
       
       Vielen Berliner Künstlern, Kulturinstitutionen und Projekten, die in den
       letzten Jahren oft ziemlich verzweifelt am Hungertuch nagten, stehen 2018
       und 2019 52 beziehungsweise 67 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr zur
       Verfügung. Dank besserer Steuereinnahmen und einer Aufstockung des
       Hauptstadtkulturfonds um 5 Millionen Euro hat Lederer im Vergleich zu
       seinen Vorgängern einen wahren Goldregen zu verschenken. Der holprige
       Anfang, die Querelen um die Volksbühne: All das ist an diesem Montagmittag
       vollkommen unwichtig.
       
       Ein großer Teil der neuen Gelder wird wie angekündigt dazu verwandt, im
       Kulturbereich höhere Tarife zahlen und soziale Mindeststandards erreichen
       zu können – ein wichtiger Schritt, denn schließlich weiß jeder, dass selbst
       in Berlin die meisten einen freien Kopf brauchen, wenn sie kreativ sein
       wollen.
       
       Die Kinder- und Jugendtheater bekommen mehr Geld, die bezirkliche
       Kulturarbeit, kulturelle Bildung und Vermittlungsarbeit werden gestärkt,
       ebenso die freie Szene wie etablierte Institutionen. Aufgrund von
       Investitionsstau und steigenden Mieten in der Innenstadt fließt viel Geld
       in die Sanierung, aber auch in die Schaffung neuer Arbeitsplätze wie der
       heiß begehrten Künstlerateliers.
       
       ## Organisatorin tritt zurück
       
       Sehr interessant ist auch ein neuer, ressortübergreifender Topf für
       Festivals, damit Organisatoren mehr Planungssicherheit bekommen. „Schade“,
       findet es Lederer, dass nur einen Tag nach der letzten Fête de la Musique
       Ende Juni Organisatorin Simone Hofmann ihren Rückzug bekannt gegeben hat.
       Hofmann hatte die Fête von Anfang an begleitet, also seit 23 Jahren.
       
       Seit acht Jahren werde die Fête zu zwei Dritteln aus Geldern der
       Lotto-Stiftung und nur zu einem Drittel vom Land Berlin gefördert – und
       das, obwohl die regionale Wirtschaft gutes Geld an der Fête verdient. „Die
       Fête hangelt sich von einer Zwischenfinanzierung zur nächsten“, sagte
       Hofmann damals. Von einer „unwürdigen Bettelei“ sprach sie.
       
       Just in dem Moment, als sie ihren Abschied bekannt gab, sagt Lederer am
       Montag, sei man mit der Konzeption dieses neuen Topfes befasst gewesen –
       ein ansehnlicher Topf, der wichtigen Veranstaltungen im Kulturkalender
       Berlins vier Millionen Euro zur Verfügung stellen soll.
       
       So etwas hat es in der Geschichte Berlins wohl auch bislang nicht so sehr
       häufig gegeben: Da ist auf einmal gutes Geld für eine Veranstaltung da. Nur
       fehlt plötzlich der Mensch, der diese ausrichten mag.
       
       Vielleicht möchte es sich Frau Hofmann noch einmal anders überlegen?
       
       4 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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