# taz.de -- Die Wahrheit: Wahl nach Maß
       
       > Oktoberfest und Bundestagswahl werden spontan zusammengelegt. Wähler
       > haben sich zum Anstich auf der Theresienwiese einzufinden.
       
 (IMG) Bild: Seehofer und Merkel erwarten, dass die Wahlbeteiligung nicht unter drei Promille liegt
       
       „Wir rechnen mit einer Wahlbeteiligung von etwa 3 Promille“, sagt Josef
       „Hutschi“ Bärmeier stolz. Der Münchner Eventmanager, der sonst eher
       Pudelschauen und Tupperpartys organisiert, ist mit der Durchführung der
       Bundestagswahl beauftragt, die bereits am Wochenende stattfinden soll. Die
       lästige Bürgerpflicht soll in diesem Jahr als politisches Schmankerl beim
       Oktoberfest serviert werden, das morgen ohnehin eröffnet wird.
       
       Die Politik hat aus dem G20-Gipfel in Hamburg gelernt:
       Zukunftsentscheidende Mammutveranstaltungen mit Eskalationsrisiko sollen
       künftig noch volksnäher und unübersichtlicher werden, aber vor allem sollen
       sie – nach Hamburger Vorbild – ungenügend unvorbereitet stattfinden. Und
       das möglichst in einer Location, an der Gipfel, gewaltbereite Chaoten und
       partywütige Hundertschaften ohnehin vor Ort sind.
       
       Natürlich kam da nur die bayerische Landeshauptstadt zur Zeit des
       Oktoberfestes in Frage.
       
       ## Taktische Entscheidung
       
       Und so wurde gestern im Bundestag nach 16 Halben (pro Fraktion) spontan
       beschlossen, die Bürger schon eine Woche früher wählen zu lassen. Eine
       klassische Überrumpelungstaktik, mit der die Parteien die lästigen
       Wechselwähler verwirren wollen.
       
       Um sämtliche bürokratischen Hürden abzubauen, existiert die Möglichkeit der
       Briefwahl ab sofort nicht mehr. Ebenso entfällt der lästige Urnengang zur
       miefigen Gesamtschule in der Nachbarschaft. Stattdessen werden sämtliche
       bundesdeutschen Wahlberechtigten aufgefordert, sich pünktlich zum Anstich
       morgen auf der Theresienwiese in München einzufinden. Was nach einem Aufruf
       zu einer überhasteten Wählerwanderung klingen mag, ist in Wahrheit ein
       Geniestreich auf logistischer und gastronomischer Ebene.
       
       ## Dobrindt regelt, Spahn putzt
       
       Durch die launige Musi werden unbelehrbare Krawalltouristen schon vor dem
       Eingang aussortiert, und falls die Blaskapellen nicht betäubend genug
       wirken, wird Horst Seehofer auf Verdacht Einzelfälle prüfen. Alexander
       Dobrindt regelt die Zufahrt zu den Parkplätzen, und zwar ab Flensburg. Für
       die Anwohner der näheren Umgebung wird ein Rikscha-Shuttle eingerichtet.
       Die Doppelspitze der Grünen wird strampelnd wieder von Haus zu Haus
       tingeln, um den Wähler dort abzuholen, wo er steht. Das Reinigen der etwa
       700.000 Dixi-Klos hingegen sollte zunächst drei Minijobbern obliegen, aber
       Jens Spahn hat das einfach ordentlicher gelernt.
       
       Unter dem Motto „Mia san das Volk – Schweinefleisch über alles“ wird
       Alexander Gauland für den Haxn-Grill eingeteilt, und Jérôme Boateng darf
       als guter Nachbar den Spieß auch einmal umdrehen. Auch der historische
       Jahrmarkt erfreut sich einer Wiederbelebung, das beliebte Duo
       Wagenknecht/Lafontaine trägt dort für ein bedingungsloses Grundeinkommen
       beliebte Sauf- und Arbeiterlieder vor.
       
       ## Flieger auf der Viehauktion
       
       Wie wichtig den Parteien das Thema Kinderbetreuung ist, zeigen Sigmar
       Gabriel und Peter Altmaier eindrucksvoll, indem sie sich als Hüpfburgen zur
       Verfügung stellen. Und auch das Gerücht, dass die insolvente Air Berlin
       spätestens einen Tag nach der Wahl sämtliche Flüge streichen und
       Mitarbeiter entlassen wird, will man mit den „WiesnWahln“ endlich
       ausräumen.
       
       Im Gegenzug stellt die Fluglinie ihre Maschinen als
       Übernachtungsmöglichkeit für das Wahlpilgervolk zu Verfügung, danach werden
       die Flieger im Zuge der traditionellen Viehauktion der Wiesn
       mitverscherbelt. Interessenten werden gebeten, neben den Wahlunterlagen
       mindestens eine noch gültige Bordkarte mitzubringen.
       
       ## Pro Schlag eine Amtszeit
       
       Zum Höhepunkt der Festivitäten wird Ober-Oberbürgermeisterin Angela Merkel
       dann endlich den Zapfhahn ins Fass dreschen. Voraussichtlich wird sie
       hierzu Martin Schulz verwenden, auch wenn sich FDP-Chef Christian Lindner
       freiwillig für den Job gemeldet hatte. Wahrscheinlich, um wenigstens etwas
       Farbe zu bekommen, wie der wiederauferstandene zu Guttenberg ganz allein
       schmunzeln würde.
       
       Allein, wurscht ist es, wer sich für den Hammer hält – es zählt einzig, wie
       viele Schläge Merkel braucht, bis das erste Bier fließt. Pro Schlag bekommt
       sie eine weitere Amtszeit obendrauf. Nach bisherigen Berechnungen dauert es
       dann bis zum zuvor anberaumten Wahlsonntag 18 Uhr, bis wir wie aus einer
       durstigen Kehle schreien können: „Aus’zäit is’, ois bleibt wia’s is!“
       
       15 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katinka Buddenkotte
       
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