# taz.de -- Netiquette und Nachrichtenwert: Zu groß, um gelöscht zu werden
       
       > Wer auf Twitter droht, hetzt oder zu Gewalt aufruft, muss mit
       > Konsequenzen rechnen. Nicht so Donald Trump. Ist das gerecht?
       
 (IMG) Bild: Es wäre zwar ganz wohltuend, wenn Trump mal nicht twittern könnte – gut wäre es trotzdem nicht
       
       Darf sich einer schlechter benehmen als andere, weil er berühmt ist? Diese
       Frage wollten Twitter-User diese Woche mit ihrem Kurznachrichtendienst
       klären. Anlass war – Sie dürfen dreimal raten – US-Präsident Donald Trump.
       Die NutzerInnen hatten sich bei Twitter beschwert, weil ein Trump-Tweet
       nicht gelöscht worden war, obwohl er ihrer Meinung nach die Richtlinien
       verletzte.
       
       Konkret geht es um einen [1][Tweet] vom Sonntag, den der Präsident nach der
       Rede des nordkoreanischen Außenministers Ri abgesetzt hatte. Trump schrieb
       wörtlich: „Wenn er (Ri; Anm. d. A.) die Gedanken vom Kleinen Raketenmann
       (Kim Jong Un; Anm. d. A.) nachplappert, dann wird es sie nicht mehr lange
       geben.“ Aufmerksame TwittererInnen erkannten darin einen Regelverstoß. Denn
       nach den [2][Richtlinien] von Trumps liebstem Kurznachrichtendienst sind
       „gewalttätige Drohungen oder Aufforderungen zur Gewalt gegen andere
       untersagt“. Wer dagegen verstößt, kann „zeitweise und/oder dauerhaft
       gesperrt werden“.
       
       Nicht so Donald Trump. Twitter [3][argumentierte] auf die Beschwerden am
       Montag hin, der Tweet werde nicht entfernt, weil er „Nachrichtenwert“ habe
       und „von öffentlichem Interesse“ sei. Das werde schon länger intern so
       gehandhabt und demnächst auch in die Richtlinien geschrieben. Heißt also:
       Wer berühmt genug ist, kann mit aufwieglerischen Drohungen um sich werfen,
       kann anstacheln und beleidigen – und hat nichts zu befürchten. Denn
       „öffentliches Interesse“ wird in der Regel breit ausgelegt. Das gilt auch
       schon mal für B-Promis oder [4][die privaten Cocktailparties] von
       Politikern. Und während gleichzeitig versucht wird, Hatespeech aus dem Netz
       zu tilgen, sollen diese Situationen plötzlich davon ausgenommen sein?
       
       Obendrein nervt es, dass die Twitterei des US-Präsidenten geeignet ist,
       geopolitische Krisen auszulösen. Da wäre es doch wohltuend, wenn ihm mal
       jemand den Account „zeitweise und/oder dauerhaft“ sperren würde. Allerdings
       muss man das Ganze auch von der anderen Seite betrachten: Politisches
       Zeitgeschehen findet viel im Gesprochenen statt – und dieses Gesprochene
       wird heute meist digital aufgezeichnet und damit dokumentiert.
       
       ## Piep piep piiiep
       
       Dieses Dokumentieren ist so wichtig, dass es sogar Gesetz ist: Seit diesem
       Jahr fällt Donald Trumps privater Twitter-Account „@realDonaldTrump“ unter
       das [5][Presidential-Records-Gesetz]. Damit sind Trump-Tweets ein
       öffentliches Vermächtnis und dürfen nicht so ohne Weiteres korrigiert,
       verändert oder gelöscht werden. Das Gesetz gibt Twitter also recht.
       
       (Was Trump allerdings nicht davon abgehalten hat, am Dienstagabend einige
       [6][alte Tweets zu löschen], in denen er Luther Strange, den Senator von
       Alabama geworben hatte. Strange hatte zuvor die Vorwahlen in seinem
       Bundesstaat verloren.)
       
       Dazu kommt: Wenn man sich wünscht, dass die Verfehlungen von Promis aus dem
       digitalen Gedächtnis getilgt werden, müsste das zum Beispiel auch fürs
       Fernsehen gelten. Sollen also demnächst rassistische oder hetzerische
       Aussagen in Talkshows in der Mediathek rausgeschnitten werden? Oder die
       Livesendung gleich mit einigen Sekunden Verspätung gesendet werden, damit
       man notfalls drüberpiepen kann?
       
       In den USA gibt es den sogenannten Broadcast Delay schon, um unerwünschte
       Inhalte zu verhindern. Nachdem Janet Jackson bei der Superbowl-Halbzeitshow
       ihre Brust zeigte, wurden die darauf folgenden Grammy- und
       Oscarverleihungen mit 5-Sekunden-Verspätung ausgestrahlt. Und in diesem
       Jahr ließ der Sender Fox die Showeinlage von Popikone Lady Gaga beim
       Superbowl ebenfalls verspätet übertragen aus Angst, Gaga könnte ihren
       Auftritt beim größten Medienereignis der USA nutzen, um etwas gegen Donald
       Trump sagen.
       
       Womit wir wieder am Anfang wären. Das Entfernen unliebsamer Äußerungen von
       unliebsamen Personen mag wohltuend erscheinen. Am Ende kann dasselbe
       Prinzip auch von den unliebsamen Personen missbraucht werden. Ein
       Fortschritt, den soziale Medien gebracht haben, ist, dass politisch
       relevante Dokumente nicht mehr so schnell verschwinden können. Dafür müssen
       sie allerdings abrufbar sein.
       
       Update 28.09.: Dieser Text wurde aktualisiert. Ein Hinweis auf die
       Tatsache, dass US-Präsident Trump mehrere Tweets löschte wurde eingefügt.
       
       27 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/911789314169823232
 (DIR) [2] https://support.twitter.com/articles/87137#
 (DIR) [3] https://twitter.com/Policy/status/912438046515220480
 (DIR) [4] /!5339602/
 (DIR) [5] /!5420644
 (DIR) [6] http://www.nytimes.com/2017/09/27/us/politics/trump-deletes-tweets.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
       ## TAGS
       
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