# taz.de -- Labour-Parteitag in Großbritannien: Die rote Fahne hat einen grauen Bart
       
       > Die Labour-Opposition ist bei ihrem Parteitag zum ersten Mal seit Jahren
       > gut gelaunt. Parteichef Corbyn hat alles im Griff, Gegner schweigen.
       
 (IMG) Bild: Labourchef Corbyn ist zufrieden
       
       DUBLIN taz | „Reißen Sie sich zusammen oder machen Sie Platz.“ Das war die
       Botschaft, die der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn am Mittwoch zum
       Abschluss seines Jahresparteitags der Tory-Premierministerin Theresa May
       zurief. In seiner Rede im südenglischen Seebad Brighton erklärte Corbyn,
       dass Labour bereit sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
       
       Der 68-Jährige mit dem grauen Bart hat seine Partei im Griff. Er wurde mit
       Standing Ovations empfangen und mit Standing Ovations verabschiedet. Es war
       der erste Labour-Parteitag seit drei Jahren, bei dem der Posten des
       Parteichefs nicht zur Disposition stand. Noch vor einem Jahr, auf dem
       Parteitag in Liverpool, spekulierten die Delegierten über die Spaltung der
       Partei.
       
       May wollte dieses Chaos bei Labour ausnutzen und rief in diesem Frühsommer
       vorgezogene Neuwahlen aus – eine Fehlkalkulation. Labour erzielte den
       größten Stimmenzuwachs seit 1945, die Tories verloren wegen Labours
       Aufholjagd die absolute Mehrheit, obwohl auch sie an Stimmen hinzugewannen.
       „Wir haben leider nicht gut genug abgeschnitten und bleiben vorerst in der
       Opposition“, räumte Corbyn ein. „Aber wir sind die Regierung im
       Wartestand.“
       
       Das unerwartet gute Wahlergebnis hat den rechten Labour-Flügel zum
       Verstummen gebracht. Und die Linksentwicklung der Partei ist noch nicht
       abgeschlossen. Mehrere Satzungsänderungen, die den Aufstieg sozialistischer
       Abgeordneter in der Parteihierarchie erleichtern sollen, wurden mit
       albanischen Mehrheiten angenommen.
       
       ## Programm der Verstaatlichung
       
       Auch in Schottland steht der linke Flügel kurz davor, die Partei zu
       übernehmen. Kezia Dugdale, die Scottish Labour nach dem katastrophalen
       Wahlergebnis von 2015 geeint hatte, sodass die Partei im Juni wieder sieben
       Unterhaussitze gewann, ist vor Kurzem zurückgetreten. Ihr Nachfolger wird
       wohl der von Corbyn favorisierte Richard Leonard.
       
       Corbyn versprach, dass Labour in den ersten Jahren nach einer
       Regierungsübernahme Post und Wasser, Energie und Eisenbahn in
       Großbritannien verstaatlichen werde. Darüber hinaus werde man den Betrieb
       von Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen wieder vollständig unter
       staatliche Kontrolle bringen.
       
       Außerdem werde Labour für bezahlbare und sichere Sozialbauwohnungen sorgen
       und Mietobergrenzen einführen. „Die Missachtung zügelloser Ungleichheit,
       die Aushöhlung der öffentlichen Dienste, die Verachtung der Machtlosen und
       Armen haben unsere Gesellschaft brutaler gemacht“, sagte Corbyn. „Jetzt hat
       diese abgewirtschaftete Regierung ihr tragisches Denkmal – die verkohlte
       Ruine von Grenfell Tower, eine vollkommen vermeidbare Katastrophe, bei der
       im Juni Dutzende Menschen starben.“
       
       Corbyn machte die Tories auch für die fünf Terroranschläge in
       Großbritannien allein in diesem Jahr mitverantwortlich. Ihre Außenpolitik
       habe Bedingungen geschaffen, unter denen Terrorismus aufblühen konnte,
       sagte er. Im Konflikt zwischen den USA und Nordkorea, forderte Corbyn,
       müsse die UNO für einen Dialog sorgen.
       
       Schließlich warf der Labour-Chef den Tories vor, beim Thema Brexit nur auf
       persönliche Vorteile bedacht zu sein. Aber auch bei Labour ist man sich
       über den britischen Austritt aus der EU keineswegs einig. Pro-EU-Delegierte
       nutzten eine Reihe von Randveranstaltungen, um für Großbritanniens Verbleib
       im europäischen Binnenmarkt zu argumentieren. Corbyn und seine Anhänger
       verhinderten aber eine Abstimmung darüber.
       
       27 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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