# taz.de -- Attentat auf maltesische Journalistin: Mitten in Europa
       
       > Das tödliche Attentat auf die maltesische Journalistin Daphne Caruana
       > Galizia hat Vorbilder in der EU. Die Mafia hat die Presse stets im
       > Visier.
       
 (IMG) Bild: Ein Polizist vor dem ausgebrannten Auto der Journalistin Daphne Caruana Galizia
       
       Entsetzen löst der Tod der Malteserin Daphne Caruana Galizia aus –
       Entsetzen darüber, aber auch Ungläubigkeit, dass in einem Mitgliedsland der
       EU eine unbequeme Journalistin per Mord für immer zum Schweigen gebracht
       werden kann. Solche Morde kennt man aus Mexiko oder aus Russland – aber
       doch gewiss nicht in der Europäischen Union.
       
       Oder doch? Wenigstens in einem Staat der EU reduzierte sich das
       Berufsrisiko für Journalisten über Jahre hinweg mitnichten auf
       Strafanzeigen, Schadensersatzklagen wegen Rufschädigung oder die per Druck
       auf den Arbeitgeber erzwungene Entlassung. Die italienische Mafia
       jedenfalls fackelte oft genug nicht lange, wenn schreibende Kritiker ihr zu
       nahe traten, sei es durch unangenehme Enthüllungen, sei es aber einfach
       auch bloß durch „Respektlosigkeit“.
       
       Mauro De Mauro war einer der ersten auf der langen Liste der Opfer. Im Jahr
       1970 wurde er in Palermo entführt, seine Leiche wurde nie gefunden. De
       Mauro hatte sich für die Lokalzeitung L’Ora immer wieder mit
       Mafiaverbrechen befasst. Direkt vor seinem Tod hatte er für den
       Filmregisseur Francesco Rosi den Mord an dem Erdölmanager Enrico Mattei
       recherchiert, einen Mord an der Schnittstelle zwischen Politik, Business
       und Mafia.
       
       Pippo Fava dagegen stammte aus Catania, er gab die Antimafia-Zeitschrift I
       siciliani heraus und beging den Fehler, sich auf deren Seiten intensiv mit
       den wichtigsten Bauunternehmern der Stadt zu beschäftigen. Am 5. Januar
       1984 wurde er auf offener Straße erschossen – und die Polizei genauso wie
       die Medien wollten zunächst glauben machen, das Motiv der Bluttat sei wohl
       eine Liebesaffäre – eine beliebte Methode der Mafia. Ein Kronzeuge räumte
       mit dieser auch von örtlichen Politikern gestützten Legende auf, Catanias
       oberster Cosa-Nostra-Boss wurde schließlich als Auftraggeber verurteilt.
       
       ## Nicht das erste Opfer
       
       Peppino Impastato wiederum kannte die Cosa Nostra ganz aus der Nähe – sein
       Vater war Mafioso in der Kleinstadt Cinisi vor den Toren Palermos. Der Sohn
       aber mochte nicht in dessen Fußstapfen treten. Stattdessen war er in der
       linksradikalen Organisation Democrazia Proletaria aktiv, vor allem aber
       machte er mit einer Sendung im Lokalradio von sich reden, in der er immer
       wieder den örtlichen Boss Gaetano Badalamenti der Lächerlichkeit preisgab.
       
       Am 8. Mai 1978 wurde Impastato ermordet, die Mafiosi wollten ihn selbst als
       Täter erscheinen lassen, der bei dem Versuch, einen Bombenanschlag
       auszuführen, ums Leben gekommen war. Das Muster, die von der Mafia aus dem
       Weg geräumten Journalisten als Opfer recht eigentlich ihrer selbst, dazu
       noch aus eher unehrenhaften Motiven, erscheinen zu lassen, wiederholte sich
       auch bei Mauro Rostagno.
       
       Rostagno hatte zunächst in den 70er Jahren zu den Anführern der großen
       linksradikalen Organisation Lotta Continua gehört, dann jedoch die
       spirituelle Gemeinschaft Saman gegründet und mit ihr ein Zentrum im
       westsizilianischen Trapani eröffnet. Dort wurden Drogensüchtige therapiert,
       doch auch Rostagno beschäftigte sich in einem Lokalrundfunk mit den
       Aktivitäten der örtlichen Mafiagrößen, mit ihren Drogengeschäften, ihren
       hervorragenden Kontakten in die Politik und die Geheimdienste hinein. 1988
       wurde er erschossen, und wiederum war die Spur der Ermittler zunächst ein
       Eifersuchtsdelikt.
       
       Ihren vorerst letzten Journalistenmord verübte die Cosa Nostra im Januar
       1993, als sie Beppe Alfano beseitigte. Seither floss kein Blut mehr – doch
       massive Drohungen gibt es auch heute. Ihr prominentestes Opfer in den
       letzten Jahren war Roberto Saviano, mit seinem Buch „Gomorrha“ über die
       neapolitanische Camorra weltweit berühmt geworden. Er hatte es gewagt, im
       Jahr 2006 auf einer Kundgebung in seinem Heimatort Casal di Principe die
       Bosse als Feiglinge zu schmähen, und so mangelnden Respekt gezeigt. Der
       Casalesi-Clan reagierte mit Morddrohungen. Seither lebt Saviano unter
       Polizeischutz und nächtigt in Carabinieri-Kasernen.
       
       17 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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